"Hofnarr beim König des Paradieses" (G. K. Chesterton)

Franz von Assisi im Winterseminar in Schmochtitz

Vesper mit den Klarissen in der Klosterkirche
Vesper mit den Klarissen in der Klosterkirche - am Mikrofon Sr. M. Clara Faltermaier und P. Johannes Schneider

Bautzen, 10.02.2015: Kein anderer Heiliger außer Maria wurde so oft gemalt wie er, und die Leserinnen und Leser der "Times" wählten ihn zum bedeutendsten Menschen des vergangenen Jahrtausends: Franz von Assisi. Auch in der Literatur kommt er oft vor, und Olivier Messiaen schrieb sogar eine Oper über ihn. Doch wer war dieser 1181 oder 1182 in Assisi geborene Giovanni di Bernardone, genannt Francesco, wirklich? Und welche Spuren hat er im Bistum Dresden-Meißen hinterlassen?

Mit diesen Fragen befasste sich die Winterakademie vom 4. bis 8. Februar im Bischof-Benno-Haus Schmochtitz – zum 12. Mal gemeinsam geleitet von P. Clemens Maaß SJ, Direktor der Katholischen Akademie, und Dr. Peter-Paul Straube, Rektor des Bischof-Benno-Hauses. Etwa 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich eingefunden, um sich gemeinsam mit dem großen Heiligen aus Assisi zu beschäftigen.

Der geschichtliche Kontext

Im 12. Jahrhundert traten viele charismatische christliche Prediger auf, was unter anderem zu großen Spannungen zwischen der Amtskirche und der praktizierten Religiosität führte. Es habe damals einen "ungeheuren Bedarf an neuartiger Seelsorge" gegeben, betonte Prof. Dr. Gert Melville, einer der weltweit führenden Ordenshistoriker und Direktor der Dresdner „Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte“ sowie Mitglied des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften. Neuartig war bei Franziskus und seinen "Brüdern", dass sie die Nachfolge Christi mitten unter den Menschen lebten. Sie verbanden in bis dahin einmaliger Weise zwei gegensätzlich erscheinende Lebensweisen: die Welt zu verlassen und zugleich mitten in ihr zu leben. Und wurden zum zahlenmäßig größten Orden des Mittelalters. Anfang des 14. Jahrhunderts gab es weltweit 1.400 Klöster der Franziskaner.

Gruppenarbeit 1
Anregende Gespräche unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Winterakademie.

Der Mensch Francesco

Im Leben des Franz von Assisi vollzog sich – in seinem 24./25. Lebensjahr – eine Wende vom ausschweifenden, ausgelassenen Lebenswandel hin zu freiwillig gewählter Armut. Weil diese den Weg zum Himmel öffnet, wollte Franz ärmer sein als die Armen, die ihm begegneten. Er erlebte sich unmittelbar von Gott berufen, die Ordensregeln als von Christus geoffenbart – "Christus mihi dixit – Christus hat es mir gesagt", lautete seine kurze Erklärung, die jede weitere Deutung oder gar Veränderung unterband.

Franziskus wird in der sogenannten "Drei-Brüder-Legende" als "von Natur aus heiter und fröhlich" beschrieben, aber er habe auch erlebt, dass er sich lange, von Krankheit zermürbt, an nichts freuen kann, betont der Salzburger Franziskanerpater Dr. Johannes Schneider. Jedoch genau in dieser depressiven Stimmung wendet sich Franz an Gott und bittet ihn: "Höchster, glorreicher Gott, erleuchte die Dunkelheit meines Herzens." Im Winter 1224/25, nachdem er die Wundmale Christi empfangen hat und dadurch unter großen Schmerzen leidet, beschließt er: "Daher will ich zu Seinem Lob ... einen Lobpreis dichten" – es entstand der Sonnengesang, ein neunstrophiges Lied auf die Schönheit der Schöpfung, den Frieden und – im Angesicht des Todes gedichtet – "Bruder Tod".

Der junge Orden

Nachdem ihr charismatischer Gründer im Jahr 1226 gestorben war, blühte die Legendenbildung auf – und wurde die Frage relevant, ob die Institutionalisierung des Ordens ein Verrat an dessen Gründer oder die Möglichkeit sei, sein Charisma weiterzutragen. In einem längeren Prozess musste unter anderem geklärt werden, was es für eine Gemeinschaft dieser Größe heißt, in Armut zu leben. So wurden beispielsweise Prokuratoren eingesetzt, die Geld und Geschenke für die Gemeinschaft annehmen durften, was den Brüdern verboten war. Diese durften nichts besitzen, hatten dann aber ein gewisses Gebrauchsrecht.

Bereits seit 1216 gab es Niederlassungen der Franziskaner in Deutschland, England und Frankreich. Um 1240 entstand in Bautzen ein Franziskanerkloster, das bis zur Reformation belebt war. Die Mönche brachten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten – sie durften nicht als Konkurrenz zum Domstift auftreten – in die Seelsorge ein.

Ruine des Franziskanerklosters in Bautzen
Die Ruine des Franziskanerklosters in Bautzen

Franziskanisches Erbe lässt sich allerdings seit 1925 wieder in Bautzen erleben: im Kloster der Klarissen. Wie Franziskus leben die Schwestern ohne Eigentum – zurückgezogen, aber offen für Menschen, die sich auf ihre Spiritualität einlassen wollen oder Gespräche suchen.

In der Damiano-Grotte auf dem Gelände des Bautzener Klarissenklosters
In der San Damiano-Grotte auf dem Gelände des Bautzener Klarissenklosters - mit Steinen aus mehr als 55 Ländern aus allen Erdteilen.

Franziskanische Impulse auf dem 2. Vatikanischen Konzil

Franz von Assisi sei „das heimliche Thema des 2. Vatikanischen Konzils“ gewesen, resümierte einst der Jesuit Mario von Galli (1904-1987).
Konkret sichtbar wird dies in dem sogenannten "Katakombenpakt": 1965, kurz vor Konzilsende, trafen sich 40 Bischöfe aus verschiedenen Kontinenten in den Domitillakatakomben vor den Toren Roms, feierten dort die Heilige Messe und unterzeichneten ein Dokument, das danach Papst Paul VI. überreicht wurde: Sie verpflichteten sich, die Armen in den Mittelpunkt ihres pastoralen Wirkens zu stellen und selber möglichst arm zu leben. Unter anderem heißt es dort: "Wir werden uns bemühen, so zu leben wie die Menschen um uns herum üblicherweise leben... Wir verzichten ein für alle Mal darauf, als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein, insbesondere in unserer Amtskleidung ... und in unseren Amtsinsignien." Weitere 500 Bischöfe schlossen sich damals diesem Gelübde an, das heute weithin in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

Gruppenarbeit 2
Anregende Gespräche unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Phasen der Gruppenarbeit.

"Vergiss die Armen nicht!" Ein Papst namens Franziskus

Wer heutzutage über Franz von Assisi spricht, kommt nicht umhin, Papst Franziskus in die Überlegungen einzubeziehen. Warum hat der Jesuit – als erster Papst in der mehr als 2000-jährigen Kirchengeschichte – diesen Namen gewählt? Der Jesuit Clemens Maaß warnt davor, nun Franziskaner und Jesuiten gegeneinander ausspielen zu wollen. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, habe Franz von Assisi sehr geschätzt und zeitlebens guten Kontakt zu Franziskanern gehabt. "Daher überrascht es auch nicht, dass bei einem Jesuiten franziskanische Züge festgestellt werden", betont Maaß. Der Papst selber erklärte seinen Namen damit, dass beim Konklave Kardinal Claudio Hummes neben ihm saß und ihm nach der Wahl zuflüsterte: "Vergiss die Armen nicht!" Im Blick auf die Armen sowie die vielen Kriege weltweit und die bedrohte Schöpfung sei ihm "der Name ins Herz gedrungen: Franz von Assisi", erklärte der Papst wenige Tage nach der Wahl vor Medienvertretern.

Franziskus in der Literatur

Neben Büchern, die sich ausführlich mit Franz von Assisi und seinem Leben befassen, finden sich zahlreiche Verweise auf den Heiligen in weiteren Schriften: Bei einem literarischen Abend rezitierte der Schauspieler Martin Neubauer, Bamberg, Abschnitte aus Werken verschiedener Jahrhunderte. Die Schlussworte aus dem "Stundenbuch" von Rainer Maria Rilke seien "eine Verbeugung vor der historischen Gestalt des Franz von Assisi", die mit der Frage endet: "Wo ist er hingeklungen?" – Gilbert Keith Chesterton schreibt, Franziskus habe "das Wort Narr wie einen Helmschmuck" getragen und "wollte Hofnarr beim König des Paradieses sein". – "Zweifellos war er immer der Glücklichere", vor allem wenn er gegen den gesunden Menschenverstand gehandelt habe, beschreibt Adolf Holl den heiligen Franz. Dante Alighieri bezeichnet in der "Göttlichen Komödie" den Mann aus Assisi als "Sonne" und überträgt damit ein Bild auf ihn, das sonst nur für Christus verwendet wird.

Literarischer Abend mit Martin Neubauer
Beim literarischen Abend mit Martin Neubauer

Franz von Assisi in der Malerei und die Franziskus-Oper von Olivier Messiaen

In Subiaco befindet sich das wohl älteste Gemälde, das Franziskus darstellt. Es zeigt ihn ohne Wundmale und Heiligenschein, ist also vor 1224 entstanden und galt für etwa zwei Jahrhunderte als Vorbild für alle Darstellungen. Die Renaissance stellte den Heiligen als bartlosen Jüngling dar, der Barock als reifen Mann und herkulesartigen Helden mit Bart.

In den Jahren 1975-83 schrieb Olivier Messiaen die Oper "Saint François d'Assise". 1998 fand die deutsche Erstaufführung dieser Oper in Leipzig statt – unter der Regie von Gottfried Pilz und begleitet von der Dramaturgin Brunhild Matthias. Beide stellten im Rahmen der Winterakademie ihre Akzentsetzungen der Inszenierung vor, untermauert mit Videoaufnahmen von der Aufführung. Diese Oper sei "eigentlich Philosophie, ohne eigentliche Handlung", beschrieb Pilz eine der Schwierigkeiten bei der Umsetzung. "Letztlich waren wir am Schluss alle kleine Franziskaner und sind als Beschenkte hinausgegangen", fügte er dankbar hinzu.

Im Gespräch mit Brunhild Matthias
Winterakademie-Gäste im Gespräch mit der Dramaturgin Brunhild Matthias (l.).

Fotos + Text: Elisabeth Meuser




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