Grußwort von Landesbischof Dr. Carsten Rentzing

Zur feierlichen Einführung von Heinrich Timmerevers
als Bischof des Bistums Dresden-Meißen am 27. August 2016

Landesbischof Dr. Carsten Rentzing Hochwürdiger Herr Bischof, lieber Bruder Timmerevers,
liebe Schwestern und Brüder,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

nachdem der Möbelwagen für Ihr Hab und Gut, lieber Bruder Timmerevers, kürzlich von Vechta nach Dresden rollte, da entlud man – wie man mir berichtete – ebenso ein Fahrrad.

Man könnte nun annehmen, dass Ihr ‚Draht-Esel‘ vom windumwehten und fahrradwegsamen Bistum Münster bzw. Vechta nun im Abstellraum ein nach der alten Heimat sich sehnendes Dasein zu führen hat. Schließlich ist Ihr neues Bistums Dresden-Meißen ein bergiges Gelände. Doch nachdem alle Möbel Ihren Platz gefunden hatten, gaben Sie Ihrem ‚Draht-Esel‘ Auslauf und unternahmen die ersten Erkundungen durchs Elbland mit dem Fahrrad. Nun, auch die Freude über das Fahrradfahren wird uns als Bischöfe von Sachsen miteinander verbinden.

Auch wenn es wichtig ist, in unserer schnelllebigen Zeit einen ordentlichen Dienstwagen als Bischof zu haben, so viel wichtiger ist es, immer wieder aus den abkapselnden ‚Fahr-Kabinen’ auszusteigen. Dieses Aussteigen gilt nicht nur für die Autos, sondern z.B. auch für die Gefahr der Abkapselung in der ‚Kabine‘ des eigenen Schreibtisches, aus der Abkapselung des eigenen, immer wieder begrenzten Denkens: So wie man beim Fahrradfahren den Schwung gebenden Rückenwind, aber ebenso den scharfen Gegenwind erfährt, so gilt es für uns als Bischöfe, die Wirklichkeiten von Land und Leuten immer wieder neu zu erfahren. Nicht umsonst formulierte Martin Luther für eine angemessene theologische und seelsorgende Rede, dem Volk solle man aufs Maul schauen (…ohne ihm jedoch nach dem Mund zu reden!).

So gehört es zu unserer Wirklichkeit, dass weit über 70% der Sachsen nicht der Kirche angehören. Exemplarisch hierfür ist die Frage, welche auf dem Leipziger Hauptbahnhof gestellt wurde: „Sind sie evangelisch oder katholisch?" Antwort: „Weder noch – ich bin normal!"

Lassen Sie uns daher, lieber Bruder Heinrich, Bischöfe sein für alle Menschen in unserem Land!

Wie man beim Fahrradfahren nicht alles Gepäck (…und das theologische ‚Gepäck‘ ist nicht unerheblich!) mitnehmen kann, so freue ich mich darauf, mit Ihnen mich auf das wirklich Wesentliche des Kirche-Seins zu konzentrieren. Natürlich hat jeder auch seinen eigenen spirituellen, liturgischen und disziplinären Rucksack, doch neben vielen sehr kostbaren Dingen gilt es, nach dem wirklich wichtigen Gepäck zu fragen:

Lautete früher die ökumenische Maxime: "Glaube trennt, Handeln eint", so müssen wir heute angesichts der säkularen Herausforderungen den umgekehrten Weg ‚stromaufwärts radeln‘: Auch wenn uns das ‚evangelische und katholische Ufer‘ noch als weit auseinander entfernt erscheinen mag, so ist es doch mehr als einsichtig, zurück zur Quelle aufzubrechen. An der Quelle ist der Strom nicht mehr unüberschaubar breit, das Wasser ist von gegenseitiger Schuld nicht mehr verunreinigt, wir dürfen wieder trinken.

Diese Quelle ist für den Christen, für die Kirche niemand anders als Christus selbst! Nichts anderes soll auch zum anstehenden Reformationsgedenken gefeiert werden. Ein Christusfest ist uns für 2017 und darüber hinaus aufgetragen: In der Feier des Altarsakramentes, im Hören am reich gedeckten Tisch des Gotteswortes, im betenden, ja singenden Antworten ist die Quelle der Erneuerung zu suchen! Gerade diese Christus-Wirklichkeit glaubwürdig zu feiern, ist in einer Zeit, welche vergessen hat, dass sie Gott vergessen hat (Wolf Krötke), die eigentliche Herausforderung!

Diese Einheit, diese Glaubwürdigkeit der Kirche sind wir den Menschen schuldig! Dabei steht es uns klar vor Augen, dass eine Einheit, die nicht von einer Vielheit abhängt, einer Diktatur gleich käme. Und ebenso klar steht uns vor Augen, dass eine beliebige Vielheit ohne wirkliche Einheit einer Anarchie nahe käme: Ökumene braucht beides – Einheit und Vielfalt in der von Gott geschenkten gegenseitigen Achtung und Liebe!

Lassen Sie uns gemeinsam, lieber Bruder Heinrich, an die Geburtsstätte des Bistums, nach Meißen und weit darüber hinaus mit unseren (Draht-)Eseln fahren, beten, laufen, denken, singen! Der Esel ist ja nicht erst seit Bileams Zeiten ein kluges und daher gut dienendes Tier: Als Landesbischof der Lutherischen Landeskirche Sachsens freue ich mich auf das ‚Miteinander-Dienen zur Quelle hin‘ – für die Menschen in dieser Region!

Dr. Carsten Rentzing
Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens



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