Den Sorgen um das Winfriedhaus Raum geben

Interview mit Jugendseelsorger Ralph Kochinka

Festgottesdienst zu 60 Jahre Winfriedhaus
Das Winfriedhaus - hier beim Festgottesdienst am 16. Mai 2015 anlässlich des 60-jährigen Bestehens als Jugendbildungshaus.

Ende Oktober, also vor etwa sechs Wochen, verkündete das Bischöfliche Ordinariat, dass das Winfriedhaus Schmiedeberg ab Mai 2017 geschlossen werden muss, weil es die brandschutztechnischen Bedingungen nicht mehr erfüllt. Daraufhin setzte eine große Welle mit sehr emotionalen Reaktionen ein.

Jugendseelsorger Ralph KochinkaDie Information trat in der Tat eine Lawine von Reaktionen los, die eine große Betroffenheit einerseits und eine große Wertschätzung des Winfriedhauses andererseits deutlich machten. In sozialen Netzwerken, per E-Mail und per Telefon erreichen uns in der Jugendseelsorge sehr viele Rückmeldungen und Anfragen. Die einen fragen: Wird denn das Winfriedhaus für immer geschlossen? Andere, vor allem Jugendliche, fragen, wie denn dann die Jugendarbeit weitergehe. Besonders Eltern fragen: Was können wir konkret tun, damit das Winfriedhaus weiter als Jugendhaus bestehen kann?

Es hat uns sehr bewegt, erneut vor Augen geführt zu bekommen, wie stark dieses Haus das Leben und den Glauben vieler Christen in unserem Bistum positiv geprägt hat: Viele berichteten, dass sie ihren Glauben im Alltag oft alleine leben müssen – in den intensiven Gemeinschaftserfahrungen im Jugendhaus wurden sie dafür immer wieder neu ermutigt und gestärkt. Andere berichteten, wie sie ihre große Liebe im Winfriedhaus kennenlernten und heute ihre eigenen Kinder immer wieder gerne ins Winfriedhaus bringen. Wieder andere warfen die Frage auf, ob sie wohl heute noch in der Kirche engagiert wären, wenn sie sich nicht als Ministranten und Jugendliche im Winfriedhaus gerade auch in den jugendgemäßen Gottesdiensten mit ihren Fragen und Zweifeln ernstgenommen gefühlt hätten.

Welche Gründe gibt es, das Winfriedhaus zu schließen?

Zunächst ist festzuhalten, dass noch keineswegs entschieden ist, ob das Winfriedhaus dauerhaft geschlossen werden soll.

Zudem möchte ich klarstellen, dass mit den momentan ausgeführten Brandschutzmaßnahmen das Haus noch bis Ende Mai 2017 betrieben werden darf. Bis dahin müssten viel umfangreichere Brandschutzmaßnahmen – mit einem finanziellen Aufwand von bis zu 400.000 Euro – umgesetzt werden. Diese würden so sehr in den Baukörper eingreifen, dass man über umfänglichere Sanierungsmaßnahmen nachdenken muss. Unter anderem müssten die beiden provisorischen Fluchttreppen durch feste Treppenhäuser ersetzt werden.

Wer entscheidet über das weitere Vorgehen – und letztlich über die Zukunft des Winfriedhauses?

Eine solch folgenreiche Entscheidung kann letztlich nur der Bischof treffen, den wir aber momentan noch nicht haben. Allerdings trifft sich am 11. Dezember erstmals eine von Frau Neuhaus, der Leiterin der Hauptabteilung Pastoral und Verkündigung, eingesetzte Arbeitsgruppe, der Vertreterinnen und Vertreter der Jugendseelsorge auf Bistums- und Dekanatsebene angehören sowie der Rektor des Bischof-Benno-Hauses und ein Kaplan, der die Pfarreiebene vertritt. Diese Gruppe hat den Auftrag, bis Sommer 2016 eine Entscheidungsvorlage für den neuen Bischof zu erarbeiten. Sie soll Expertisen von Fachleuten einholen und die Meinung von Jugendlichen einbeziehen. In regelmäßigen Abständen soll die Öffentlichkeit über den Stand der Beratungen informiert werden.

Sie sprechen von "Expertisen von Fachleuten" – was konkret ist damit gemeint?

Wir werden verschiedene Beurteilungen hinsichtlich der baulichen Substanz des Hauses einholen und prüfen müssen, was wirklich und in welchem Umfang saniert werden muss. Aber ebenso werden wir Erfahrungswerte anderer Jugendbildungseinrichtungen abfragen sowie grundsätzliche Analysen, Befragungen und Erhebungen über die Lebenswelt Jugendlicher und ihr Verhalten, ihre Bedürfnisse und ihren Glauben in unsere Überlegungen einbeziehen.

Als Jugendseelsorger bilden Sie ja quasi die Schnittstelle zwischen den Jugendlichen und der Amtskirche – sicherlich keine leichte Aufgabe angesichts dieser Fragen.

Ja, das stimmt. Denn einerseits weiß ich aus vielen persönlichen Erfahrungen mit Jugendlichen, wie wichtig und wertvoll ein solches Haus wie das Winfriedhaus für deren Entwicklung als Mensch und Christ ist, und betrachte mit Hochschätzung den unermüdlichen Einsatz so vieler, die Jugendlichen solche Erfahrungen ermöglicht haben – und das in zum Teil schwierigen Zeiten.

Auch wenn mein Herz am Winfriedhaus hängt, muss ich andererseits jetzt dafür offen sein, Alternativen gründlich zu prüfen, damit auch in Zukunft für die Jugendlichen ein attraktives Jugendhaus zur Verfügung steht.
Beidem gleichermaßen gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung.

Was raten Sie denjenigen, die sich für einen Erhalt des Winfriedhauses stark machen – was können sie konkret tun?

Da kann ich jedem nur raten, sich zu informieren – wir arbeiten gerade zusammen mit Jugendlichen daran, eine eigene Plattform auf unserer Homepage kathjusa.de zu entwickeln. Hier sollen zentrale Informationen über die Entwicklungen bezüglich des Winfriedhauses bereitgestellt werden und können Jugendliche ihre Rückmeldungen geben. Ab spätestens Mitte Januar wird dieses Format dann über www.kathjusa.de erreichbar sein.

Eine weitere Möglichkeit des Engagements besteht darin, die eigene Verbundenheit mit dem Winfriedhaus durch Anmeldungen zu Kursen auszudrücken.

Schön wäre es, wenn auch die älteren Generationen dem Haus verbunden blieben und unsere Arbeit und Sorge entsprechend unterstützten – durch ihr Interesse an dem derzeit laufenden Prozess und dadurch, dass sie Jugendliche motivieren, sich zu Kursen anzumelden. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten werden sich sicherlich mit der Zeit ergeben und auf kathjusa.de veröffentlicht werden.

Und schließlich: in diesem schwierigen Entscheidungsprozess dürfen wir als Christen uns Gott anvertrauen. Im Gebet können wir dankbar unseren Erinnerungen, aber auch unseren konkreten Fragen und Sorgen Raum geben.
Dafür hat das Team der Jugendseelsorge nun ein offizielles Gebet für das Winfriedhaus formuliert (s.u.). Es hat die Form eines Lesezeichens und kann so Platz finden im Gotteslob, einem (Jugend-)Gebetbuch, im Hausaufgabenheft, im Kalender, an der Pinnwand, auf dem Küchentisch oder am Gebetsplatz. Das Lesezeichen möchte daran erinnern, regelmäßig allein, in der Familie, der Jugendgruppe oder Pfarrgemeinde für das Jugendhaus zu beten, dass Gottes Wille für eine gute Zukunft der Jugendlichen geschehe. Möge dieses Gebet alle in einem unsichtbaren Netz miteinander verbinden, die sich für die Zukunft der Jugend in unserem Bistum einsetzen.

Die Fragen stellte Elisabeth Meuser.


Gebet

Guter Gott, ich gebe dir Raum.
Du weißt, wie viel Gutes
Kinder und Jugendliche mehrerer
Generationen im Winfriedhaus
erlebt haben.
Ihr Glauben und Leben wurde
dadurch positiv geprägt.

Dieses Haus ist für viele
Menschen ein kostbarer Ort
zur Begegnung mit dir und
untereinander.
Nun gibt es um den Fortbestand
des Winfriedhauses viele
Fragezeichen.

Lenke du die Herzen
und Gedanken derer, die an
einer zukunftsfähigen
Entscheidung mitwirken.
Hilf uns, deinen Willen zu
erkennen und Kindern und
Jugendlichen Raum zu geben.

Heiliger Winfried-Bonifatius,
bitte für uns!
Heiliger Bischof Benno,
bitte für uns!
Seliger Märtyrer Alojs,
bitte für uns!
 

Das Gebets-Lesezeichen zum Herunterladen.



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