Laudato Sí – die christliche Begründung der Lebensstilorientierung in der Umweltfrage

von Erik Fritzsche, Modereco e.V.

Dresden, 24.10.2016: „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.“ So sang der Namenspate von Papst Franziskus, der heilige Franz von Assisi, im 13. Jahrhundert in seinem ‚Sonnengesang‘ – dem ältesten Zeugnis italienischer Literatur. Die ersten Worte einer Papstenzyklika werden traditionell zur Bezeichnung des Schreibens herangezogen – so auch bei Franziskus‘ zweiter Enzyklika: Laudato Sí, mí Signore – Gelobt seist du, mein Herr.
Der Verein Modereco empfing in Kooperation mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen am vergangenen Donnerstag, 20. Oktober, ab 19 Uhr im Kunstraum Dresden Ulrich Clausen vom Bischöflichen Ordinariat Dresden. Leitfrage des Abends war, was es mit jenem Papst und seiner vielbeachteten ‚Umweltenzyklika‘ auf sich hat.

Tatsächlich entspann sich unter den Anwesenden ein besonders fruchtbares und sehr dichtes Gespräch. Ulrich Clausen dozierte nämlich nicht einfach über die Enzyklika, sondern ging sehr ruhig und besonnen auf vielerlei Zwischenfragen und Anmerkungen ein. Zu erfahren war, wie so eine Enzyklika im Vatikan überhaupt entsteht, und dass sich Franziskus‘ Text an alle Menschen richte. Zum ersten Mal wurden in ihr die umwelttheologischen Aussagen der katholischen Kirche zusammengebunden und so eine Belegstelle geschaffen, mit der Gläubige und an kirchlichen Positionen Interessierte sich informieren können. Zudem ist der Text in einer bemerkenswert einfachen Sprache gehalten: Er lädt zum Schmökern ein.

Drei zentrale Einsichten lassen sich festhalten. Für Christen dürfte es eine gewisse Akzentverschiebung gegenüber ihrem alltäglichen gelebten Glauben bedeuten, wenn Franziskus in seiner Enzyklika der klassischen Zweierbeziehung zwischen Gott und Mensch konsequent die Schöpfung mit all ihren Geschöpfen zur Seite stellt. Letztere nachhaltig zu beschädigen und sich nicht am Leitsatz von „Bebauen und Bewahren“ zu orientieren, sei wenig christlich (korrekter theologischer Begriff hierfür und vom Papst so klar auch verwendet ist jener der Sünde). In der Enzyklika unterstreicht der Papst infolgedessen auch die Harmonie des Lebens Jesu mit der Schöpfung.

Franziskus hat die Konsequenzen aus einem solchen Auftrag zum Bebauen und Bewahren der Schöpfung keineswegs nur auf die Politik bezogen – auch wenn im Zuge der Klimakonferenzen Politiker sicherlich zentrale Adressaten der Enzyklika sind. Ebenso wenig hat der Papst einer einseitigen Innovationsorientierung das Wort geredet, die er für Hybris hält. Was Franziskus jenseits von Politik und Innovationen in den Blick nimmt ist für uns bei Modereco e.V. der zunächst wichtigste Ansatzpunkt: nämlich die individuellen Lebensstile. Tatsächlich ist das Christentum eine die Einzelnen zur Umkehr adressierende Religion: Egal wie schlimm die Lage der Welt ist, wie aussichtslos das Unterfangen scheint, der Christ darf und soll an einer besseren Welt mitwirken – und zwar ganz in dem Bewusstsein seiner eigenen und unvermeidlichen Fehlbarkeit.

Insofern sind christliche Gemeinden wohl ein nahezu perfekter Ort, um – ohne erhobenen Zeigefinger – an den Lebensstilen einer schöpfungsbewahrenden Zukunft zu üben. Hinzu kommt die – schon bei Franz von Assisi angelegte – Verbindung von Schöpfungsbewahrung und Armut – dem zweiten großen Thema dieses Papstes. Denn für Papst Franziskus, der eine arme Kirche für die Armen will, ist die Armut etwas Edles. Eine gewisse nicht-existentielle Armut ist geradezu ein Mittel zur Verwirklichung wichtiger christlicher Werte. Damit bieten uns der Papst und sein Namenspate – in Distanz zueinander von fast 700 Jahren – einen ganz anderen Klang der Armut als dies heutzutage der Fall ist.

Schließlich bemerkenswert ist, wie wenig Franziskus dem Klischee des weltfremd-konservativen Kirchengelehrten entspricht. Durchgängig nämlich ist Laudato Sí mit dem Aufruf verbunden, Christen und Nichtchristen in der „Sorge um das gemeinsame Haus“ zusammenzuführen. Bodenständig und um die Weisheit der Völker wissend, schreibt Franziskus:

„Wenn wir die Komplexität der ökologischen Krise und ihre vielfältigen Ursachen berücksichtigen, müssten wir zugeben, dass die Lösungen nicht über einen einzigen Weg, die Wirklichkeit zu interpretieren und zu verwandeln, erreicht werden können. Es ist auch notwendig, auf die verschiedenen kulturellen Reichtümer der Völker, auf Kunst und Poesie, auf das innerliche Leben und auf die Spiritualität zurückzugreifen. Wenn wir wirklich eine Ökologie aufbauen wollen, die uns gestattet, all das zu sanieren, was wir zerstört haben, dann darf kein Wissenschaftszweig und keine Form der Weisheit beiseitegelassen werden, auch nicht die religiöse mit ihrer eigenen Sprache.“ (63)

Wer in zunehmend spezialisiertere Politik- und Wissenschaftsbetriebe blickt, wünscht sich sehr, dass der Geist dieser päpstlichen Forderung nach dem Umgang mit Wissen mehr Verbreitung bekäme. In Zeiten wie diesen, in denen alle Probleme der Menschheit mit Technik gelöst werden sollen, stimmt diese Forderung beinahe melancholisch. Andererseits sind wir als Akteure der Zivilgesellschaft und als Mitglieder in den religiösen Gemeinden eben gerade nicht dazu verurteilt, jene Fehler zu machen.

Der zentrale Leitgedanke von Modereco e.V.: dass es neue, umweltverträglichere Lebensstile sein werden, aus denen heraus sich politische Realitäten formen lassen. Dank Ulrich Clausen entstand am Donnerstagabend eine an unseren Fragen und unserer Neugier ausgerichtete, mosaikhafte Auseinandersetzung mit vielen wichtigen Aspekten der päpstlichen Enzyklika.

Papst Franziskus, 2015, Laudato si`: Über die Sorge für das gemeinsame Haus: Die Umwelt-Enzyklika mit Einführung und Themenschlüssel, Stuttgart: Bibelwerk-Verlag. ISBN: 978-3-460-32134-2.



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