Mit dem "Pastoralbus" Menschen auf dem Land erreichen

Katholische Kirche will auch in abgelegenen Dörfern der Lausitz präsent sein

Pastoralbus - mit Dompfarrer Veit Scapan (l.) und Diözesanadministrator Andreas Kutschke (r.)
Der "Pastoralbus" ist da - Dompfarrer Veit Scapan (l.) und Diözesanadministrator Andreas Kutschke (r.) zusammen mit dem Bus-Team. Ab 18. April wird der "Pastoralbus" rund um Bautzen unterwegs sein.

Bautzen, 15.04.2016: Menschen, die in kleinen Dörfern leben, haben wenig Kontakt zum pulsierenden Leben in der meist viele Kilometer entfernten Stadt. Mit einem innovativen Projekt will sich die Bautzener katholische Dompfarrei gerade diesen Menschen widmen. Dafür hat sie einen Kleinbus umbauen lassen. Damit erfüllt sie den Wunsch von Papst Franziskus, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, die aber in den einzelnen Regionen der Welt ganz verschieden aussehen.

Pfarrei aus einer Stadt und 89 Dörfern

„Wir wollen Zeit verschenken.“ Das ist eines der Anliegen des Bautzener Dompfarrers Veit Scapan. Dabei hat der Kirchenmann selbst eigentlich gar nicht so viel Zeit. Schließlich hat er gleich mehrere wichtige Funktionen im Bistum Dresden-Meißen inne – und ist Pfarrer der flächenmäßig wohl größten Pfarrei des Bistums. Denn neben der Stadt an der Spree mit 40.000 Einwohnern gehören 89 Dörfer zu ihr. Die Bautzener Domgemeinde zählt etwa 4.000 Katholiken.
„Wie schaffe ich es, als Kirche in all den Dörfern präsent zu sein?“, fragt er und stellt fest: „Als Pfarrer kann ich es nicht. Direkten Kontakt habe ich höchstens, wenn es dort ein Erstkommunionkind gibt.“ Und derer sind in den Dörfern wahrlich sehr wenig. Dennoch will er gerade dort Zeit verschenken.

Kleinbus

Mit der Analyse selbst gibt sich Dompfarrer Scapan nicht zufrieden. Er weiß, dass selbst Bautzener solche kleinen Orte wie Döberkitz, Dubrauke oder Preititz kaum oder gar nicht kennen und dass diese in der Stadt Bautzen überhaupt keine Rolle spielen. Demographisch gab es in vielen Dörfern vor allem östlich von Bautzen seit der politischen Wende einen großen Abbruch. Es leben dort kaum noch junge Familien. Und es gibt dort kaum einen Laden, in den ältere Menschen einkaufen und damit auch jemanden treffen können, mit dem sie sich unterhalten könnten. „Die Leute dort müssen sich zu allem aufmachen.“ Denn das pulsierende Leben findet anderswo statt. Und dabei stellt sich der Dompfarrer eine für ihn wichtige Frage: „Wie werden wir in diesen Orten als Kirche wahrgenommen? Mir geht es erst mal weniger darum, ob wir missionarisch sind, sondern ob wir überhaupt wahrgenommen werden.“ Bei einer Tagung im Bischof-Benno-Haus Schmochtitz bei Bautzen kam Dompfarrer Veit Scapan mit Ordinariatsrätin Elisabeth Neuhaus und anderen auf die Idee, dass ein speziell eingerichteter Kleinbus von Ort zu Ort fahren könnte, das heißt dass die Kirche in diese Dörfer kommt – sozusagen ein Pastoralbus.

Der Pastoralbus - hier vor dem Bischof-Benno-Haus

„Der spinnt!“

Als er das im Pfarrgemeinderat ansprach, bemerkte Pfarrer Scapan zunächst verwunderte Gesichter. „Auf mich machte es den Eindruck, als ob einige dachten, dass ich spinne. Daraufhin habe ich mir gesagt: ,Jetzt erst recht!‘“
Und so zog er nun von Amt zu Amt, um diese mobile Kontaktstelle für den ländlichen Raum errichten und vor allem finanzieren zu können. Denn sein erklärtes Ziel bleibt, Leute zu erreichen – und ihnen Zeit zu schenken.

An fünf Tagen in der Woche

Der Bus von innenSeine Gedanken haben das Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken mit Sitz in Paderborn überzeugt. Das Werk, das Katholiken in der Diaspora unterstützt, hat aber nicht einen der bekannten gelben Boni-Busse gegeben, sondern übernimmt für zwei Jahre die Personalkosten des Kraftfahrers der mobilen Kontaktstelle. „Er soll an fünf Tagen in der Woche mit dem Bus unterwegs von Ort zu Ort sein“, erläutert Dompfarrer Scapan.
Zusätzlich soll es im Pastoralbus einen Ansprechpartner geben. Dies übernehmen drei Rentnerinnen, die der Pfarrer als Moderatorinnen versteht. Sie sollen für die vor allem älteren Leute in den Dörfern Zeit haben – ihnen Zeit schenken.

Spezialkleinbus

In die ersten abgelegenen Orte fährt der Pastoralbus am kommenden Montag, 18. April. Dafür wurde ein Mercedes Sprinter von einer Firma umgebaut, die sonst zum Beispiel Bäckerei-Autos entsprechend einrichtet. Gleichzeitig wurden Solarkollektoren angebaut, mit denen die Stromversorgung des Autos ergänzt wird.
Im Innenraum ist an der einen Seite ein Regal angebracht. Fest angeschraubt sind auch ein Kühlschrank, ein Tisch und zwei Stühle. Vom Strom des Autos sollen eine Kaffeemaschine und ein Wasserkocher betrieben werden. Denn bei einer Tasse Kaffee oder Tee plaudert es sich leichter.

Innenausstattung

Spezielle Wünsche erfüllen

Dompfarrer Scapan weist darauf hin, dass mit diesem Projekt nicht nur Gespräche angeboten werden sollen. „Wir wollen den Leuten auch das besorgen, was sie an Lebensmitteln und Haushaltwaren im Alltag brauchen. Das wollen wir einkaufen und eins zu eins weiterreichen. Wir machen also keinen Umsatz. Auf dem Auto steht ja neben dem Logo des Bonifatiuswerkes und unserer Dompfarrei auch: ,Wir sind gemeinnützig für Sie unterwegs.‘ Das heißt auch, dass wir keine Konkurrenz für andere sind, denn wir wollen im Sinne der Nachbarschaftshilfe aktiv sein.“ Wenn also eine Oma etwas in die Wäscherei geben will, soll es in dem Kleinbus mitgenommen und eine Woche später gereinigt wieder bei ihr abgegeben werden. „Eine andere will vielleicht eine spezielle eingefrorene Torte. Die besorgen wir dann und bringen sie mit“, erklärt Dompfarrer Scapan und weist darauf hin, was auf dem Land meist fehlt: „Das sind Briefmarken. Es handelt sich ja um eine Generation, die noch Briefe und Karten schreibt.“ Um entsprechende Karten für besondere Anlässe zu besorgen – neben Glückwunschkarten werden immer wieder Trauerkarten gebraucht –, ist die Kooperation mit dem Ökumenischen Domladen in Bautzen bereits vereinbart. Mit dem Kleinbus sollen aber auch Getränke von Wasser über Kaffee bis Eierlikör – „Den mögen sehr viele“, wirft der Pfarrer ein – genauso wie Lebensmittel, Drogerieartikel und Rätsel- oder Fernsehzeitungen besorgt werden. „Auch Kurzwaren wie Sternchenzwirn bringen wir gern, denn diese Menschen können ja noch mit Nadeln und Zwirn umgehen. Und wer es wünscht, bekommt auch eine Tube Voltaren.“ Obwohl es sich um einen Einkauf ohne Gewinnspanne handelt, werden dennoch eine separate Kasse und ein Kassenbuch geführt.

Der Pastoralbus unterwegs

Sorgen und Nöte erfahren

Und neben den Besorgungen kommt es zunächst zum Plausch und später vielleicht zu einem tieferen Gespräch. „Dadurch erfahren wir von den Sorgen und Nöten dieser Menschen direkt. Die Moderatorin, die keine Seelsorgerin ist, vermittelt aber, damit wir uns als katholische Priester oder auch evangelische Pfarrer eines konkreten Anliegens annehmen können.“

Der PastoralbusAls Kirche erkennbar sein

Zunächst ist geplant, dass der Pastoralbus im Ort etwa eine halbe Stunde stehen bleibt. „Ob das richtig kalkuliert ist, wird sich zeigen. Wir müssen es einfach ausprobieren. Es gibt ja noch keine Erfahrungen. Außerdem macht man ja eh im ersten Jahr alles falsch, im zweitem sammelt man Erfahrungen und ab dem dritten Jahr muss es funktionieren“, sagt Dompfarrer Scapan und ist überzeugt, dass das Vorhaben gelingen wird. Er leugnet auch nicht, dass das ganze Projekt „natürlich einen missionarischen Touch hat. Es soll ja auch erkennbar sein, dass wir von der Kirche sind.“ Aber er denkt: „Manch einer wird sich eine Tüte Salz bestellen, um dadurch mit uns ins Gespräch zu kommen, einfach um sich unterhalten zu können. Das schönstes Signal wäre, wenn die angebotene Zeit nicht ausreichen würde.“



Fotos und Text: Rafael Ledschbor



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