"Den Dienst immer gern gemacht"

Klinikseelsorger Pfarrer Alfred Bock in den Ruhestand verabschiedet

Domkapitular em. Alfred BockDresden, 04.02.2016: „Ich habe den Dienst in den Krankenhäusern immer gern gemacht und mich nie bedrängt gefühlt", fasst Pfarrer Alfred Bock seine Zeit als Klinikseelsorger zusammen. Gerade im Universitätsklinikum gab und gibt es viele Situationen, die auch einem erfahrenen Seelsorger viel abverlangten: „Ich habe oft die Ohnmacht mit aushalten müssen, nichts mehr machen zu können", so Pfarrer Bock. Am 3. Februar wurde er im Ökumenischen Seelsorgezentrum des Dresdner Universtitätsklinikums Carl Gustav Carus in den Ruhestand verabschiedet.

Das Ende des Lebens oder auch die Gewissheit des nahenden Todes standen im Mittelpunkt vieler Situationen und Gespräche. – Ein starker Kontrast zu der Gemeindearbeit in den Pfarreien Gera, Dresden-Zschachwitz, Geising-Zinnwald, Leipzig Propstei- Süd und Wermsdorf, wo er im Schloss Hubertusburg wohnen konnte. 1984 dann der Ruf durch Bischof Gerhard Schaffran nach Dresden.

Für Pfarrer Bock war es Neuland. Das Leben als permanente Herausforderung zu nehmen und selbstbestimmt damit umzugehen, ist für den 77-jährigen seit der Jugendzeit stets Leitmotiv. Mit seiner Familie erst 1948 aus Schlesien vertrieben, wurde er in Sachsen spät eingeschult. Als begabter und fleißiger Schüler konnte er den mehrjährigen Rückstand aufholen. Trotzdem stand das Abitur vorerst außerhalb des Möglichen. Deshalb trat er im erzgebirgischen Oelsnitz erst einmal in die Fußstapfen seines Vaters und arbeitete nach der Lehre als Grubenelektriker unter Tage im Steinkohlenbergwerk.

Viele Menschen waren zur Verabschiedung des Krankenhausseelsorgers gekommen.In dieser Zeit war er in der katholischen Pfarrei Oelsnitz / Erzgebirge beheimatet. Sein Pfarrer eröffnete ihm die Möglichkeit, in Magdeburg das Abitur nachzuholen und anschließend Theologie zu studieren. Diese Einrichtung für „ Spätberufene" war für ihn damals noch keine abschließende Entscheidung für den Priesterberuf. Nach intensiven Jahren des Lernens legte er 1960 in Magdeburg sein Abitur ab – inklusive der Fächer Latein und Griechisch. Nach sechs Jahren Studium im Priesterseminar in Erfurt und im Pastoralseminar in Neuzelle wurde er 1966 in der Hofkirche zu Dresden zum Priester geweiht.

Die ersten Jahre der Krankenhausseelsorge waren nicht vergleichbar mit der heutigen Zeit: Viele Klinikdirektoren der 80-er Jahre duldeten ihn lediglich als Besucher – er sollte sich an die damals üblichen und begrenzten Besuchszeiten halten. Welcher Patient katholischen Glaubens war und sich seelsorglichen Beistand wünschte, war aus offizieller Quelle der Medizinischen Akademie nicht zu erfahren. Pfarrer Bock bekam diese Informationen von den Kirchgemeinden oder Angehörigen, in denen die Patienten lebten.

„Ich habe immer den Kontakt zum Pflegepersonal gesucht, das oft helfend zur Seite stand", erinnert sich der Klinikseelsorger. An Konfrontation mit der Medizinischen Akademie war dem stets freundlichen, leisen Seelsorger nicht gelegen: „ Es kam darauf an, wie man auftrat und die Klinikdirektoren ansprach", erinnert sich Pfarrer Bock und setzt mit verschmitztem Lächeln nach, dass er sich nicht an die Besuchszeiten gehalten habe, wenn die Patienten nach ihm riefen.

Die Ereignisse im Jahr 1989 und der deutliche Wandel der Medizinischen Akademie, die 1993 zum Universitätsklinikum wurde, brachten der Krankenhausseelsorge beider Konfessionen einen enormen Schub. Formal wurde sie schnell zu einer festen Größe. Räumlich dagegen dauerte es knapp 15 Jahre, bis für alle zufriedenstellende Verhältnisse herrschten.

Mit einem Gottesdienst wurde der langjährige Krankenhausseelsorger in den Ruhestand verabschiedet.

Mit einem Gottesdienst wurde der langjährige Krankenhausseelsorger in den Ruhestand verabschiedet.

Ein Dienstzimmer für die Seelsorge – das gab es Anfang der 90-er Jahre im Haus 33, der damaligen Frauen- und heutigen Augenklinik. „ Viele Patienten haben uns dort nicht besucht", erinnert sich Alfred Bock. Der beschwerliche Weg übers Treppenhaus stellte für die Kranken oft eine zu große Hürde dar. Mit dem Umzug in Haus 1 wurde es zwar besser – aber auch zu diesem Dienstzimmer sowie dem dortigen ersten „Raum der Stille“ ging es nur über zahlreiche Stufen. Die ersten Gottesdienste fanden im Warteraum der Patientenaufnahme statt, die damals im Erdgeschoss von Haus 1 untergebracht war. Auch zur Zeit des Gottesdienstes am Sonntagvormittag hatte die Patientenaufnahme geöffnet. Waren unter den Kranken Schwerhörige, konnte das die Andacht schon einmal stören. „ Aber wir hatten ein weites Herz", kommentiert der Seelsorger diese Situationen.

Der Stellenwert der Krankenhausseelsorge änderte sich auch deshalb schlagartig, weil neuen Klinikdirektoren diese Form des Beistands für Patienten sehr am Herzen lag. So die Professoren Thomas Herrmann und Manfred Wirth. Der damalige Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie sowie der bis heute tätige Direktor der Klinik für Urologie gehörten zu jenem Kreis Engagierter, der sich den Bau eines neuen Seelsorgezentrums zur Aufgabe gemacht hatte.

Dankte Pfarrer Bock für seine herzliche und umgängliche Art: Hauptabteilungsleiterin Pastoral Elisabeth Neuhaus.

Dankte Pfarrer Bock für seine herzliche und umgängliche Art: Hauptabteilungsleiterin Pastoral Elisabeth Neuhaus.

Selbstverständlich setzten sich Pfarrer Bock ebenso wie sein evangelisches Pendant, Pfarrer Nikolaus Krause, für dieses Vorhaben ein. Ersterer als stellvertretender Vorsitzender des für den Bau gegründeten Fördervereins, letzterer als Schriftführer.

Doch das war nicht der einzige Berührungspunkt der beiden Konfessionen: Die Ökumene – die Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen – blühte nach 1989 auf und lag beiden Pfarrern am Herzen. So ist die enge Abstimmung bei den alltäglichen Aufgaben der Klinikseelsorge schnell zur Selbstverständlichkeit geworden. Ein besseres Symbol als das 2001 fertiggestellte Seelsorgezentrum kann es dafür nicht geben. Für Pfarrer Bock war die Einweihung am 1. Adventssonntag „ein großes Weihnachtsgeschenk" und der „ Höhepunkt seiner Arbeit als Seelsorger".

Dabei geht es nicht allein darum, einen würdigen Raum für Gottesdienste nutzen zu können: In den Momenten, in denen Patienten und Angehörige denkbar großes Leid erfahren, erweist sich der Raum der Stille als ein unschätzbar wichtiger Ort: „Hier können sich Menschen zurückziehen und ihre Gefühle herauslassen", erklärt Alfred Bock.

Die Aufgabe eines Klinikseelsorgers stellt auch erfahrene Priester vor große Herausforderungen. Für den heute 77-Jährigen bedeutete dies, sich fortzubilden, um noch besser auf die Situationen mit schwer erkrankten Menschen und ihren Angehörigen vorbereitet zu sein. Doch Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät eröffnen einem Krankenhausseelsorger noch ganz andere Perspektiven. So bat Prof. Kunath und in der Nachfolge Prof. Wilhelm Kirch, den katholischen wie den evangelischen Pfarrer darum, Mitglied der Ethikkommission zu werden. „Damit bekamen wir nicht nur direkte Kontakte zu den Forschern, sondern erweiterten auch unser medizinisches Wissen", so der Seelsorger. Als Kommissionsmitglieder stellten die beiden Geistlichen auch selbst Anträge für Studien vor, über die es dann gemeinsam zu entscheiden galt.

Und es gibt noch weitere Beispiele dafür, dass Pfarrer Bock im Laufe seines Lebens immer wieder Neuland betrat. Das reichte vom Erlernen der Gebärdensprache, das Mitwirken im seelsorgerischen Notdienst – etwa beim Überbringen von Todesnachrichten – oder die Tätigkeit als Gefängnisseelsorger, die er von 1990 bis 2006 zusätzlich übernahm. „Man bekommt viel geschenkt", antwortet Pfarrer Bock auf die Frage nach den schönen Seiten dieser vielen Aufgaben.

Dabei geht es natürlich um Immaterielles, nämlich „ das große Vertrauen und die Offenheit, die mir vor allem von Patienten und Angehörigen entgegengebracht wurden". Pfarrer Bock ist auch im Ruhestand bereit, weiter priesterliche Dienste zu übernehmen. Trotz all seiner Bescheidenheit stand er nun am 3. Februar aber erst selbst einmal im Mittelpunkt, wenn Klinikumsvorstände, Professorinnen und Professoren, Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege, seine Kirche, Kolleginnen und Kollegen der evangelischen und katholischen Krankenhausseelsorge, sowie sicher auch dankbare Gemeindemitglieder, Patienten und Angehörige ihn im Vespergottesdienst in den Ruhestand verabschiedeten.

Ein Beitrag von Holger Ostermeyer, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden
Fotos: Elisabeth Meuser

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