Wieviel Streit braucht die Demokratie?

Ringvorlesung „Sprache“ am 9. November im Deutschen Hygiene-Museum

Jürgen Kaube, F.A.Z.
Jürgen Kaube, Mitherausgeber der F.A.Z.

Dresden, 04.11.2016 (KPI): Der 9. November ist kein Tag wie jeder andere in Deutschland. Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann in Berlin die deutsche Republik aus, wenig später am gleichen Tag Karl Liebknecht eine deutsche Räterepublik. Am 9. November 1938 organisierten die Nationalsozialisten den antisemitischen Terror der Reichspogromnacht, in Dresden wurde die Synagoge niedergebrannt, reichsweit kamen hunderte Menschen zu Tode. Am 9. November 1989 fiel mit der Berliner Mauer auch die DDR in sich zusammen, und der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands wurde frei.

Der 9. November ist also alles andere als ein einfacher Tag deutscher Geschichte, aber ein umso besserer Anlass, über den Zustand der Demokratie nachzudenken und darüber, wie sich das in der Sprache niederschlägt. Vor diesem Hintergrund wird am kommenden Mittwoch, 9. November, der F.A.Z.-Herausgeber Jürgen Kaube mit dem Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss diskutieren: über öffentliche Pöbeleien und eine Kultur der Shitstorms, über die Wahrung und Verschiebung öffentlicher Redestandards und über die Frage, was all das über Gegenwart und Zukunft unserer offenen Gesellschaft aussagt.

Wie viel sprachliche Sensibilität braucht und verträgt die veröffentlichte Meinung, um den Frieden in einer demokratischen Gesellschaft zu bewahren – und wie viel Offenheit verträgt sie? Verhindert die „politische Korrektheit“ notwendige Diskussionen und trägt damit zu einer Radikalisierung gegnerischer Lager bei? Oder erleben wir umgekehrt eine verbale Enthemmung, die bis zur Gewalt führen kann – und an die dunkelsten Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte gemahnt?

Lukas Bärfuss, Schweizer Schriftsteller und Dramaturg, löste mit seinem Artikel „Die Schweiz ist des Wahnsinns“ im Oktober 2015 in der F.A.Z. eine Debatte über den Zustand der Schweizer Demokratie und der Medienöffentlichkeit aus. Zuletzt erschien sein Essay-Band „Stil und Moral“ (2015).

Jürgen Kaube, Journalist und Autor, ist seit 2015 einer der vier Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für seine publizistische Arbeit erhielt Kaube 2015 den Ludwig-Börne-Preis.
Dagmar Ellerbrock, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der TU Dresden mit Schwerpunkt Gewaltforschung, wird die Diskussion moderieren.

Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im Deutschen Hygiene-Museum und ist der dritte Abend der zwölfteiligen Ringvorlesung „Im Anfang war das Wort. Annäherungen an die Sprache und das Sprechen“. Die Ringvorlesung findet statt in Zusammenarbeit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen mit dem Deutschen Hygiene-Museum, der Professur für Angewandte Linguistik der Technischen Universität Dresden und dem Goethe-Institut Dresden. Sie wird gefördert von der Schweizer Kulturstiftung „Pro Helvetia“.

Eintritt: 5 € / ermäßigt 3 €

Weitere Termine und Themen der Ringvorlesung:

Mittwoch, 30. November, 19 Uhr:
Sprache und Ritual. Alltagssprache – Predigtsprache - liturgische Sprache
Referent: Prof. Dr. Alexander Deeg, Institut für Praktische Theologie Leipzig

Mittwoch, 7. Dezember, 19 Uhr:
Sprache und Gewalt II: Verletzende Worte
Referent: Prof. Dr. Lann Hornscheidt, Professur für Gender Studies und Sprachanalyse an der Humboldt-Universität zu Berlin

Mittwoch, 14. Dezember, 19 Uhr:
Die Kunst des Übersetzens. Antike und heutige Bibelübersetzungen
Referent: Prof. Dr. Dieter Böhler SJ, Professor für Exegese des Alten Testaments, Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main

Mittwoch, 11. Januar 2017, 19 Uhr, Eintritt: 4/3 €:
Dialog-Salon IV: Dirigieren – eine Gebärdensprache?
Podiumsdiskussion in Kooperation mit Klangnetz. Netzwerk für Neue Musik e.V.
Diese Veranstaltung wird zusätzlich durch Gebärdensprachendolmetscher für ein gehörloses Publikum übersetzt.
Es diskutieren: Helmuth Oehring, Komponist, Kind gehörloser Eltern, der in seinen Kompositionen mit Gebärdensprache arbeitet; Olaf Katzer, Professor für Chordirigieren an der HfM Carl-Maria von Weber Dresden, Dirigent von AuditivVokal; Laura M. Schwengber, Gebärdendolmetscherin mit Spezialgebiet Konzert
Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Lessing, Musikpädagoge, Hochschule für Musik Dresden

Mittwoch, 18. Januar, 19 Uhr:
Volapük, Klingonisch, Elbisch, Basic English … Esperanto: Ein Streifzug durch die Welt der erfundenen Sprachen
Referentin: Prof. Dr. Sabine Fiedler, Sprachwissenschaftlerin, Uni Leipzig

Mittwoch, 25. Januar, 19 Uhr:
Grenzen der Sprache: Wie sagt man das Unsagbare?
Referent: Christian Lehnert, evangelischer Theologe und Lyriker, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Liturgiewissenschaftlichen Institutes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands an der Universität Leipzig

Mittwoch, 1. Februar, 19 Uhr:
Zukunft der Sprache: Wie das Internet Literatur verändert
Referent: Tilmann Rammstedt, Schriftsteller und Musiker



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