Gemeinsamkeiten auf beiden Seiten des Jordan

Katholische und Evangelische Kirche in Sachsen begingen am 25. März das 500-jährige Reformationsgedenken mit Festakademie und ökumenischem Gottesdienst in Meißen


Gemeinsam auf Christus blicken: so begingen Katholiken und Protestanten mit einem ökumenischen Gottesdienst im Dom zu Meißen das Reformationsgedenken. Foto: Michael Baudisch

Gemeinsam auf Christus blicken: so begingen Katholiken und Protestanten mit einem ökumenischen Gottesdienst im Dom zu Meißen das Reformationsgedenken. Foto: Michael Baudisch

Meißen, 27.03.2017 (KPI): Samstagnachmittag im Sächsischen Landesgymnasium St. Afra auf dem Meißener Domberg. Durch große Fenster strahlt das Licht der Frühlingssonne in die Schulaula, bringt die in festlichem Korallenrot gehaltenen Wände und strengen weißen Ziersäulen des Festsaals zum Leuchten. Es herrscht eine feierliche Stimmung unter den rund 150 Gästen dieses Nachmittags. Im Auditorium haben – schon an der Anzahl der Priesterkragen erkennbar – viele Geistliche und Pastoren Platz genommen. Vom „hohen Domberg und hohen Festtag“ spricht denn auch der Moderator des Nachmittags. Mit einer Festakademie begehen die katholische und die evangelische Kirche in Sachsen an diesem Nachmittag gemeinsam das Gedenken an 500 Jahre Reformation. Am Abend folgt zum gleichen Anlass dann ein großer ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst im nahegelegenen Dom.

Fruchtbarer Wettbewerb der Konfessionen

Die katholische Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz – von 1993 bis 2011 Professorin für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft an der TU Dresden – eröffnet mit einem Vortrag die ökumenischen Tiefensondierungen dieses Nachmittags. Sie erinnert daran, dass Deutschland – das Land, in dem sich die Reformation Bahn brach – zugleich die einzige Adresse Europas sei, in dem katholischer und evangelischer Glaube gleichberechtigt nebeneinander bestünden. In den Ländern des Nordens hingegen hätten die Protestanten, in den Ländern des Südens die Katholiken die deutliche Oberhand gewonnen. Und sie spricht von den „besonderen Blüten“, die der Wettbewerb dieser beiden parallel agierenden christlichen Konfessionen in der deutschen Architektur, Dichtung, Philosophie oder Musik hervorgebracht habe. „Konkurrenz belebt das Geschäft. Was das ausmacht, kann man in Dresden an der Kirchenmusik von Kathedrale und Frauenkirche im Abstand von 200 Metern studieren“, so Prof. Gerl-Falkovitz schmunzelnd. Der Dom zu Meißen.

Harald Seubert, evangelischer Professor für Philosophie und Religionswissenschaft in Basel, nimmt den Faden des intellektuellen Höhenflugs auf. Betont den Gedanken der „versöhnten Verschiedenheit“. Sagt, dass das Reformationsjubiläum „fruchtbar werden kann“ im Gespräch der beiden Konfessionen. Große Namen stehen an diesem Nachmittag in reicher Folge im Raum: da werden Guardini und Kierkegaard zitiert, Kant und Schelling, Hans Urs von Balthasar, Eugen Biser oder Martin Buber.

Landesbischof Rentzing: "Mit Freude haben wir erkannt, dass das, was uns verbindet viel größer ist, als das was uns trennt"

In einer Diskussionsrunde kommen anschließend auch Landesbischof Dr. Carsten Rentzing und Bischof Heinrich Timmerevers mit den Referenten ins Gespräch. Schon rein optisch wird ein gewisses Einvernehmen zwischen den beiden Kirchenmännern spürbar: beide tragen weiße Kollarhemden zum dunklen Anzug. Sie berichten über ihre Erfahrungen im Umgang der beiden christlichen Kirchen miteinander. Bischof Timmerevers betont seinen Dank für das Erreichte „im Gespräch, im Streiten und Suchen“. Landesbischof Rentzing nennt als ein Beispiel der „versöhnten Verschiedenheit“ den feierlichen ökumenischen Gottesdienst, den beide Bischöfe, das katholische Domkapitel St. Petri zu Dresden, das evangelisch-lutherische Hochstift Meißen und weitere Vertreterinnen und Vertreter der Ökumene gemeinsam feiern wollen.

Einen Moment lang schimmern die Unterschiede der beiden christlichen Kirchen auf, als Bischof Timmerevers die Gestaltung einer evangelischen Abendmahlsfeier schildert, die er vor Jahren in der Bremischen Landeskirche als „Nachklapp“ zur eigentlich beendeten Gottesdienstfeier verwundert miterlebte. Es ist die katholische Theologin Gerl-Falkovitz, die umgekehrt mit Blick auf die beiden christlichen Konfessionen den Reichtum der evangelischen Kirchenmusik betont und ihrer Wahrnehmung Ausdruck verleiht, dass „der Tisch des Wortes zwar intensiv gedeckt“ sei, sie aber insbesondere in katholischen Predigten „viel Triviales“ erlebe. Dennoch – so muss auch die Theologin eingestehen – über die Gemeinsamkeiten der Konfessionen aus religionsphilosophischer Perspektive zu sprechen, sei „häufig leichter als die Mühen der Ebene konkreter Ökumene“, so die Theologin amüsiert.

Erstmals seit der Reformation predigte wieder ein katholischer Bischof von der Meißener Domkanzel

Mit einem großen ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst unter dem Thema „Gemeinsam Christus bezeugen“ findet der Tag schließlich seinen festlichen Ausklang im vollbesetzten Dom zu Meißen. Die Stimmen der Dresdner Kapellknaben unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Liebich erschallen, der evangelische Meißener Kantor Jörg Bräunig lässt die Domorgel erklingen. Bischof Timmerevers ist spürbar ergriffen, als er in seiner Predigt die Besonderheit dieses Moments betont. „Ich bin dankbar, erstmals im Dom zu Meißen predigen zu dürfen, als Nachfolger des Heiligen Benno.“ Und er erinnert daran, was sich im Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten seit seiner Kindheit gewandelt habe. So habe sein Vater vor Jahrzehnten noch als Landwirt im Münsterland seinen Arbeitskräften auf dem Hof als Regel mitgegeben, sie dürften alle Feste im Umkreis von 15 Kilometern mitfeiern, „nur nicht über den Jordan“. Dieser „Jordan“ sei der kleine Fluss des Dorfes gewesen, der die katholischen von den evangelischen Ortschaften getrennt habe. „Da habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass es nicht nur Katholiken gibt.“ Später habe er festgestellt, dass dieses „bloß nicht über den Jordan“ auf der anderen Seite des Flusses genauso verkündet wurde. Heute sei das – zum Glück – anders. Partner beider Konfessionen in einer Ehe etwa seien beispielsweise längst Selbstverständlichkeit und ein sichtbares Zeichen dafür, dass es gälte, die Botschaft Christi „gemeinsam mehr und mehr zu bezeugen“.

Text und Fotos: Michael Baudisch


Den Vortrag von Prof. Gerl-Falkovitz als pdf-Datei können Sie hier herunterladen...

Den Vortrag von Prof. Seubert als pdf-Datei können Sie hier herunterladen...


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