"Katholische Akademie"-Adventure-Tours: ein Info-Abend mit Abenteuerfeeling

"Dresden 1919" als Inhalt und eine Dampferpanne als Gesprächsthema

Hier schien noch alles in Ordnung: in Sichtweite der Anlegestelle musste der Dampfer wenige Augenblicke später an dieser Stelle den Anker werfen. Fotos: Michael Baudisch

Hier schien noch alles in Ordnung: in Sichtweite der Anlegestelle musste der Dampfer wenige Augenblicke später an dieser Stelle den Anker werfen und blieb liegen. Fotos: Michael Baudisch

Dresden, 27.09.2018: Dampferfahrt, Ausstellungsbesuch in Schloss Pillnitz, Buchvorstellung mit Freya Klier und Podiumsdiskussion mit Sachsens Ministerpräsident: das alles bot eine außergewöhnliche Veranstaltung am gestrigen 26. September in Dresden, zu der die Katholische Akademie des Bistums eingeladen hatte. Anlass dazu gaben die Feier zum 100-jährigen Namensjubiläum der Dresdner Kapellknaben und das neue Buch „Dresden 1919. Der Beginn einer neuen Epoche“ von Freya Klier. Doch zum Hauptthema wurde schließlich eine unerwartete Schiffspanne, die dem Abend zunächst eine außergewöhnliche Wendung zu geben schien.

Gegen 17 Uhr hatte es "Leinen los" geheißen. Mit rund 220 Gästen an Bord steuerte der elegante Ausflugsdampfer "Gräfin Cosel" vom Dresdner Terrassenufer aus Richtung Pillnitz. Unterhalten von der Big-Band des St. Benno-Gymnasiums genossen die Passagiere die rund zweistündige Bootstour. Doch wenige Schiffslängen vor der Anlegestelle ist die Fahrt in Sichtweite des Schlosses gegen 19.20 Uhr plötzlich beendet. Der Kapitän lässt den Anker werfen und informiert über ein technisches Problem. Der Stimmung an Deck tut das keinen Abbruch. Vom Ufer aus ist das Gelächter der Passagiere zu vernehmen, als Akademiedirektor Thomas Arnold die Situation gekonnt rettet und eine Runde Freibier in Aussicht stellt. Das illustre Publikum nimmt die Panne gelassen.

Das Programm gerät ins Strudeln

"Macht doch Euren Dreck alleene...”, soll der letzte König von Sachsen, Friedrich August III., gesagt haben, als er seine Abdankung unterzeichnete. Hundert Jahre ist das her. Alle höfischen Einrichtungen wurden in der Folge aufgelöst – mit zwei Ausnahmen: die traditionsreiche Hofkapelle wurde als Sächsische Staatskapelle vom Freistaat übernommen, die Hofkapellknaben aber von der katholischen Kirche, was einmalig in ganz Europa war. Dieses Thema sollte ein Hauptaspekt des Abends sein. Mit der Autorin Freya Klier stand zudem der Blick auf die krisengeschüttelte Zeit „Dresden 1919. Die Geburt einer neuen Epoche“ - so der Titel ihres Buchs - auf dem Programm. Auch die Ausstellung im Schloss Pillnitz „Macht euern Dreck alleene! Der letzte sächsische König, seine Schlösser und die Revolution 1918“ erwartet die Ankunft der Gäste.

Doch die lässt auf sich warten. Und so teilt sich die Festgesellschaft allmählich in zwei Teile: die eine an Bord; die andere trifft zusätzlich nach und nach auf dem Landweg in Pillnitz ein. Die Kapellknaben haben längst in ihren dunklen Anzügen im Kuppelsaal des Schlosses für ihren Auftritt Aufstellung genommen. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der mit dem Wagen angereist ist, wartet bereits vor Ort. Unterdessen wird an Bord mit dem Gedanken gespielt, die Buchvorstellung auf dem Dampfer stattfinden zu lassen. Immerhin ist die Autorin mit auf der Elbe unterwegs.

Ausstellungsplakat im Schlosspark.

Ausstellungsplakat im Schlosspark.

"'Macht euern Dreck alleene' - das könnte jetzt das Thema des Abends werden", unkt ein Besucher im Schloss mit fortschreitender Uhrzeit. Die Kapellknaben haben kurzerhand dem Ministerpräsidenten in einem kleinen Privatkonzert ein exklusives Ständchen präsentiert. Er harrt gerne weiter vor Ort aus. Doch die jungen Sänger müssen mit dem Bus zurück, am nächsten Tag ist Schule. Während sich die Jungen noch rasch am bereitstehenden Büffett stärken, reagiert der Sächsische Regierungschef gelassen und nutzt die gewonnene Freizeit, die Ausstellung im Schloss zu besichtigen.

Zurück auf Kurs

Gerade noch rechtzeitig nimmt der Dampfer kurz nach 20 Uhr aus eigener Kraft wieder Fahrt auf. Der Abend ist gerettet. Um 20.20 Uhr können die ersten Passagiere von Bord gehen. "Das wirkliche Abenteuer liegt noch vor uns", so begrüßt Schlösser-Chef Christian Striefler die Gesellschaft. Der Abend schlägt nach dem ersten Strudeln wieder geplanten Kurs ein. Die Buchvorstellung in der Orangerie kürzt die Autorin. Im Anschluss diskutierten Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bischof emeritus Joachim Reinelt gemeinsam mit ihr über Risse und Zusammenhalt einer Gesellschaft und die Bedeutung von Kirche und Religion – damals und heute.

Die Gäste stärken sich nach der Ankunft im Schloss Pillnitz.

Die Gäste stärken sich nach der Ankunft im Schloss Pillnitz.

Sachsens Ministerpräsident im Gespräch mit den Gästen.

Sachsens Ministerpräsident (rechts) im Gespräch mit den Gästen.

Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.): Bischof em. Reinelt, Akademiedirektor Arnold, Ministerpräsident Kretschmer und Autorin Klier.

Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.): Bischof em. Reinelt, Akademiedirektor Arnold, Ministerpräsident Kretschmer und Autorin Klier.

Die Inhalte gehen an diesem Abend also nicht ungeplant baden. Chemnitz, Pegida, mediale Berichterstattung - das sind Themen, die die Besucher in der Diskussion zu hören bekommen. "Dieser Abend wird ihnen sicher in Erinnerung bleiben", so zieht Akademiedirektor Arnold schließlich mehrdeutig Bilanz.

Organisiert wurde die Veranstaltung von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und dem Verein der Freunde der Dresdner Kapellknaben e. V. in enger Zusammenarbeit mit der Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gemeinnützige GmbH. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Sächsischen Dampfschifffahrt, Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH und dem Verlag Herder.

 
Wissenswertes

Die Dresdner Kapellknaben

Die Kapellknaben wurden zusammen mit der Dresdner Hofkapelle – heute Sächsische Staatskapelle – 1548 durch Ernst Moritz von Sachsen gegründet. Im Zuge der Konversion von August den Starken zum katholischen Glauben erfolgte 1709 eine Neugründung der Kapellknaben mit katholischen Jungen. Nach der Abdankung des sächsischen Königs und Auflösung des Hofes 1918 verblieben die Kapellknaben an ihrer Wirkungsstätte, der ehemaligen Hofkirche, und konnten die Tradition der jahrhundertealten Hofkirchenmusik fortführen. Sie überlebten den Nationalsozialismus und die DDR. Unter ihrem Leiter Konrad Wagner (1955-1997) vergrößerte sich der Chor und wurde um Männerstimmen bereichert.

Die Dresdner Kapellknaben sind heute der Knabenchor der Kathedrale des Bistums Dresden-Meißen, der ehemaligen katholischen Hofkirche. Sie singen geistliche Musik aller Epochen in Gottesdiensten und Konzerten. Reisen führten sie inzwischen durch Deutschland, Österreich, Tschechien, Italien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Finnland, Kuba und die USA. Chorleiter ist seit 1997 Domkapellmeister Matthias Liebich, der einmal selbst Kapellknabe war.


Das Buch „Dresden 1919. Der Beginn einer neuen Epoche“

Dieses Buch von Freya Klier geht auf das Ende des Ersten Weltkriegs und das Ende der sächsischen Monarchie vor 100 Jahren ein. Alte Bindungen wichen einer Leere, in der sich die Gesellschaft neu suchte. Auch die enge Verbindung von Kirche und Staat löste sich in dieser Zeit auf. Das Ringen um eine neue Verfassung polarisierte die neue Republik. Am Kulminationspunkt Dresden lassen sich die wesentlichen Entwicklungen nachzeichnen, die zum Entstehen wie auch zum Scheitern der jungen Demokratie führten. Klassenkämpfer und Kommunisten trafen auf ein kaisertreues Bürgertum. Kriegskrüppel und Schwerverwundete prägten das Land und die Stadt ebenso wie eine pulsierende Künstlerszene.


Ausstellung „Macht euern Dreck alleene“. Der letzte sächsische König, seine Schlösser und die Revolution von 1918

Schloss & Park Pillnitz, 28. April - 4. November 2018

Die Sonderausstellung im Schlossmuseum Pillnitz zeigt, wie die Monarchie in Sachsen zusammenbrach und was aus dem König und seinen Schlössern nach der Revolution wurde.

www.schlosspillnitz.de


Michael Baudisch / sk



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