Von der Sehnsucht nach der perfekten Familie

Podiumsgespräch zur "Woche für das Leben" spricht über Wunschkinder und Kinderwünsche

Diskussionsrunde im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Foto: Michael Baudisch

Diskussionsrunde im Deutschen Hygiene-Museum Dresden (v.l.n.r.): Claudia Leide, Dr. Frithjof Schüßling, Moderator Georg Teichert, Dr. Anne-Katrin Olbrich, Anna Matzel. Foto: Michael Baudisch

Dresden, 18.04.2018: Dem Thema „Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind! Sehnsucht nach der ‚perfekten‘ Familie“ widmete sich am Dienstagabend, 17. April, eine Podiumsdiskussion im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Im Rahmen der alljährlichen bundesweiten ökumenischen „Woche für das Leben“ rückten dabei Fachleute aus Beratung und Wissenschaft und Menschen mit persönlichem Erfahrungshintergrund die Frage nach dem Wunschkind in den Blickpunkt.

„Was ist perfekt?“ – Mit dieser Frage griff Claudia Leide von der Familienpastoral des Bistums Dresden-Meißen die Fragestellung des Abends auf. Vorstellungen von „vollkommen“ und „ideal“ bis hin zu „abgeschlossen“ und „fertig“ stünden dabei völlig konträren alltäglichen Wahrnehmungen gegenüber. „Es läuft nicht alles perfekt im Leben“, so die Religionspädagogin. Ihr Rat in Anlehnung an den israelisch-amerikanischen Soziologen Antonovsky: „Auf das schauen, was gelingt, und weniger auf das, was nicht gelingt.“

Zusammenleben ohne jeden Streit: vorstellbar?

Auch Dr. Frithjof Schüßling wird skeptisch, wenn er in seiner Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Familien erlebt, die scheinbar völlig harmonisch und ohne jeden Streit auskommen. „Unrealistisch“ – meint der Dresdner Mediziner dazu. Er hält Konflikte innerhalb der Familie für eine durchaus wichtige Erfahrung. Und berichtete aus seinem Praxisalltag auch von weiteren schwerwiegenden Themen. Davon, „wie leidvoll es ist, wenn Kinder feststellen, dass sie unerwünscht waren“, so Schüßling. Wie für manche Paare auf der anderen Seite der unerfüllte Wunsch nach einem Kind zum zentralen Lebensthema werde. Oder die Problematik, wenn Eltern ihre eigenen Lebensträume auf ihr Kind übertragen, nach dem Motto „Ich durfte kein Abi machen, aber Du schaffst das“.

Dr. Anne-Katrin Olbrich, Psychologische Beraterin und in der Schwangerschafts(konflikt)beratung sowie der Ehe- und Lebensberatung tätig, schilderte aus eigenem Erleben, was es bedeutet, während einer Schwangerschaft die vorgeburtliche Diagnose zu erhalten, das eigene Kind habe das Down-Syndrom. Ihr habe damals die Aussage ihrer Ärztin geholfen, die ihr sagte „‘Sie schaffen das.‘ Das ist natürlich etwas anderes, als wenn das erste, das man hört, ist ‚das muss doch heute nicht mehr sein‘.“ Bis heute entschieden sich Frauen auch vor allem dann leichter für ein behindertes Kind, wenn das Umfeld auf vielfältige Weise die eigene Entscheidung mittrage, und man nicht „aus dem Dorf verstoßen“ werde. „Kinder mit Handicap werden dann wieder zu Wunschkindern, wenn man sie annimmt“, so Olbrich.

Familienleben - nicht immer nur Vater, Mutter, Kind

Vom Zusammenleben als lesbisches Paar mit einer Tochter berichtete Anna Matzel. Sie selbst wuchs in einer Familie mit sechs weiteren Geschwistern auf. Heute hat sie eine elf Monate alte Tochter. Ihre Partnerin hat das Kind adoptiert. Sie brachte die Schwierigkeiten zur Sprache, die mit dieser Adoption verbunden waren, und schilderte ihre Hoffnung, als Regenbogenfamilie in der Öffentlichkeit und dem unmittelbaren Wohnumfeld akzeptiert zu werden. Ihr sei bereits als junges Mädchen klar gewesen, sie wolle nie mit einem Mann zusammenleben. Allerdings habe sie schon immer einen Kinderwunsch gehegt. „Ich habe so viel Liebe in mir, und das möchte ich gerne weitergeben“, so Anna Matzel.

Veranstalter des Abends waren die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und das katholische Bistum Dresden-Meißen.


WOCHE FÜR DAS LEBEN
Seit über zwei Jahrzehnten engagieren sich die katholische und die evangelische Kirche in jedem Frühjahr mit der „Woche für das Leben“ für Wert und Würde des menschlichen Lebens und für seinen Schutz in allen Lebensphasen. In diesem Jahr findet die bundesweite ökumenische „Woche für das Leben“ vom 14. bis 21. April statt.

Die Veranstaltung wurde durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz gefördert.

www.woche-fuer-das-leben.de


Michael Baudisch



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