Vergoldete Risse

Krankenhauskapelle im Neubau des Stadtrodaer Asklepios-Klinikums für Psychiatrie und Neurologie eingeweiht

Einweihung

Dekan Klaus Schreiter segnete die Krankenhauskapelle.

Im Neubau des Stadtrodaer Asklepios-Klinikums für Psychiatrie und Neurologie ist am 13. Dezember eine Krankenhauskapelle eingeweiht worden. Die Klinikleitung hatte sich einen solchen Raum ausdrücklich gewünscht.

„Ein Raum, dessen wohltuende Ausstrahlung man gleich beim Hereinkommen bemerkt.“ „Man fühlt sich hier geborgen.“ „Es tut gut, hier zu sein.“ Mitarbeiter, Patienten und Gäste brachten bei der Einweihung der Krankenhauskapelle spontan zum Ausdruck, was auch die Verantwortlichen des Krankenhauses im Sinn gehabt hatten, als sie der Kapelle bei den Neubau-Planungen einen bevorzugten Standort einräumten: Seelsorge ist wertvoll für die Heilung von Menschen, die psychisch aus dem Lot geraten sind.

Das muss bereits den Gründern der Stadtrodaer Klinik klar gewesen sein, das 1848 unter dem Namen „Genesungshaus zu Roda“ erbaut wurde. Zuvor waren psychisch Kranke der Region jahrzehntelang im Zuchthaus der nahegelegenen Leuchtenburg untergebracht und dort in Ketten gelegt ähnlich wie Straftäter behandelt worden. Den damaligen Gesinnungswandel dokumentiert eindrucksvoll eine deutlich sichtbare Inschrift mit einer Liedzeile aus der Feder des evangelischen Pfarrers Paul Gerhardt: „Hilf gnädig allen Kranken, gib fröhliche Gedanken den hochbetrübten Seelen, die sich mit Schwermut quälen“, ist darauf zu lesen. Das Zitat prangte bisher als Leitwort der Einrichtung über dem Eingang des alten Haupthauses und hat nun einen ebenso prominenten Platz an der Fassade des Neubaus bekommen.

Von Ulrike Kaiser, der Stiftungsdirektorin der Leuchtenburg, erstellte historische Tafeln im erhaltenen Glockenturm des alten Klinikgebäudes dokumentieren, dass in der Einrichtung nicht immer im Geist dieses Leitwortes gehandelt wurde. Als Tiefpunkt der wechselvollen Klinikgeschichte hebt sich dabei die Zeit des Nationalsozialismus hervor, als das Genesungshaus für viele Patienten zum Todeshaus wurde.  

Seelsorge mit Wartelisten

Cornelia Fris und Pastorin Ellen Hoffmann

Die beiden Krankenhausseelsorgerinnen Cornelia Fris und Pastorin Ellen Hoffmann.

Die evangelische Pastorin Ellen Hoffmann und die katholische Klinikseelsorgerin Cornelia Fris freuen sich darüber, dass die neue Kapelle und ihr angrenzendes Büro nun direkt hinter der Paul-Gerhardt-Inschrift ihren Ort gefunden haben. Schon seit fast zwei Jahren sind die beiden als Seelsorgeteam in der Stadtrodaer Klinik unterwegs und versuchen, den Patienten auf ihre Weise bei der Neuausrichtung ihres Lebens beizustehen. Als Gesprächspartnerinnen seien sie äußerst gefragt, sagt Cornelia Fris. Förderlich für die große Nachfrage sei, dass die Patienten sehr deutlich auf das Seelsorgeangebot aufmerksam gemacht werden: „Anders als in vielen anderen Krankenhäusern interessiert hier bei der Aufnahme nicht, ob jemand katholisch oder evangelisch ist, aber alle werden gefragt, ob sie Seelsorge wünschen.“ Nun gilt es für sie und ihre Kollegin, die neue Kapelle durch Gottesdienst- und Besinnungsangebote mit Leben zu füllen. Die Gestaltung des Sakralraumes kommt ihnen dabei entgegen. Der indirekt beleuchtete und mit Kunstwerken des Tegauer Holzbildhauers Thomas Kretschmer ausgestattete Raum entfaltet seine Wirkung auch ohne große Erklärungen.  

Krankenhauskapelle Stadtroda

Ins Auge fällt vor allem der aus einem massigen Eichenstamm geschnittene Altar. Den auf natürliche Weise entstandenen kreuzförmigen Riss in der Oberfläche hat Thomas Kretschmer vergoldet. Am Rande der Kapellenweihe erwähnte der Künstler seine Vorliebe für die Epoche der Gotik, eine Zeit der Sehnsucht nach Vollkommenheit und Unendlichkeit. Anders als in späteren Epochen hätten Künstler damals Gold sehr sparsam nur dort verwendet, wo sie auf Gottes Gegenwart hinweisen wollten.

PilgerinEin weiterer Blickfang ist eine aus einem Kirschstamm geschnitzte Frauenstatue mit offenem und zugleich in sich gekehrtem Ausdruck. Ihre Beine enden in den fast naturbelassenen Baumwurzeln. „Pilgerin“ ist der Titel dieses Werks. Mit ihrer  wortlosen Aufforderung, sich der eigenen Wurzeln bewusst zu werden und sich Neuem zu öffnen, scheint sie wie geschaffen für diesen Ort. Dabei ist sie ungeplant in der Kapelle gelandet, als Provisorium für zunächst ein Jahr. Da die Auftraggeber sich noch nicht auf ein angemessenes Symbol für die Kapelle geeinigt hatten, brachte Thomas Kretschmer seine „Pilgerin“ ins Spiel. Im Büro eines Freundes, des Mecklenburgischen Landesbischofs, wo sie die letzten Jahre verbracht hatte, war sie im Zuge der Zusammenlegung zweier Bischofssitze gerade eben frei geworden. Der Künstler glaubt nicht an einen Zufall.

Fotos + Text: Dorothee Wanzek, Tag des Herrn



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