"Ostritz ist keine Nazistadt, auch nicht für ein Wochenende"

IBZ-Direktor Dr. Michael Schlitt im Interview

In Ostritz findet vom 20. bis 22. April auf dem Gelände des Hotels Neißeblick ein „Schild und Schwertfestival“ statt, zu dem ca. 1.000 Rechtsextremisten und Neonazis aus ganz Deutschland erwartet werden. Dr. Michael Schlitt, Direktor des Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal erklärt im Interview, wie wichtig der Protest gegen Neonazis ist.

 

Warum hat das IBZ das „Ostritzer Friedensfest“ angemeldet?

Michael Schlitt. Foto: privatWir wollen den Neonazis und Rechtsextremisten an diesem Wochenende nicht die Stadt Ostritz überlassen. Wir in Ostritz müssen und wollen an diesem Wochenende klar stellen, dass wir das „Schild und Schwertfestival“ voll und ganz ablehnen. Schild und Schwertfestival bedeutet abgekürzt SS-Festival. Und dass dieses Festival zum Geburtstag Adolf Hitlers stattfindet, ist sicher auch kein Zufall. Daher hat das IBZ den Ostritzer Marktplatz für das Friedensfest reserviert. Sonst hätte es an diesem Wochenende nur das „SS-Festival“ und die Gegenveranstaltung der Linken gegeben. Die öffentliche Wahrnehmung der Stadt Ostritz wäre dann verheerend gewesen.

Schon einmal wurden die verhängnisvollen Auswirkungen von Nationalsozialisten und Rechtsextremisten im Deutschland der 1920er und 1930er Jahre unterschätzt. Spätestens damals hätte man dem rassistischen und antidemokratischen Handeln Einhalt gebieten müssen. Nachher war es zu spät. Erich Kästner hat gesagt: Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball aufhalten. Die Lawine hält keiner mehr auf.

 

Wer organisiert das „Ostritzer Friedensfest“?

Es sind zahlreiche Menschen aus Ostritz, die ehrenamtlich das Friedensfest organisieren. Die Behauptung von Vertretern der AfD, das Friedensfest würde von Menschen außerhalb von Ostritz organisiert, ist unwahr. Wir Ostritzer sind es, die sich mit aller Entschiedenheit gegen das SS-Festival wehren, und freuen uns darüber, dass am Friedensfest so viel Menschen und Einrichtungen aus unserer Region mitwirken werden.

Das Ostritzer Kernteam für die Organisation besteht aus Maria-Barbara Ebermann, Melanie Kottek, Cäcilia Schreiber, Stephan Kupka und Georg Salditt. Sie werden dabei von zahlreichen weiteren Ostritzern unterstützt. Seit Anfang März kommt das Vorbereitungsteam mehrmals pro Woche zusammen, um Vereine, Stiftungen, Kirchen, Chöre, Musikbands etc. zur Beteiligung zu gewinnen sowie für die technische Infrastruktur und Sicherheit des Festes zu sorgen. Daneben war und ist umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, damit die Menschen wissen, dass es in Ostritz an diesem Wochenende ein Friedensfest gibt.

 

Haben Sie nicht Sorge vor einer Auseinandersetzung von rechten und linken Krawallmachern?

Diese Sorge kann ich gut verstehen. Hätten sich die Linken unserem „Ostritzer Friedensfest“ mit unserer Form des friedlichen Protestes angeschlossen, hätte ich weniger Sorgen, dass es zu Auseinandersetzungen von rechten und linken Demonstranten in Ostritz kommt. Es ist das Letzte, was wir in Ostritz brauchen, dass wir hier Schauplatz von Auseinandersetzungen von Extremisten aus ganz Deutschland werden. Ich hoffe, dass wir mit dem „Ostritzer Friedensfest“ mäßigend auf alle extremistischen Personen und Gruppen wirken.

 

Was bringt das Friedensfest für Ostritz?

Wenn es das Friedensfest nicht gäbe, würden möglicherweise 1.000 Neonazis einen Fackelumzug über den Ostritzer Marktplatz mitten durch die Stadt machen, um beispielsweise zum Kriegerdenkmal zu gelangen. Oder die Linken hätten den Marktplatz als Versammlungsort mitten in der Stadt genommen. Würde es den Menschen in Ostritz damit besser gehen als mit dem von uns organisierten Friedensfest? Wohl kaum.

Ohne das Friedensfest hätte es an diesem Wochenende nur das „SS-Festival“ und die Gegenveranstaltung der Linken gegeben. Die öffentliche Wahrnehmung der Stadt Ostritz wäre dann verheerend gewesen. Ostritz würde zunehmend den Ruf einer Stadt bekommen, in der sich Neonazis wohlfühlen.

Und nicht zuletzt hoffe ich, dass das Friedensfest eine mäßigende Wirkung auf rechte und linke Demonstranten hat. Wer will schon ein Friedensfest stören? Zudem wird es an diesem Wochenende ein sehr großes Polizeiaufgebot geben, das für die Sicherheit in Ostritz sorgen wird. Mein Eindruck ist, dass sich die Polizei sehr gut auf dieses Wochenende vorbereitet hat. 

 

Warum verzichten Sie auf eine politische Positionierung beim Friedensfest?

Wir verzichten nicht auf eine politische Positionierung, sondern auf eine parteipolitische Positionierung. Wir organisieren eine parteiübergreifende, integrierende Veranstaltung aus der bürgerlichen Mitte unserer Gesellschaft gegen das „SS-Festival“ unter möglichster Einbeziehung aller gesellschaftlicher Gruppen, Vereine, Stiftungen, Kirchen etc. Es ist zu wenig, linken Gruppierungen allein den Protest gegen Neonazis zu überlassen.

 

Kann man mit dem „Ostritzer Friedensfest“ tatsächlich irgend etwas erreichen?

Wir wollen mit dem Friedensfest erreichen, dass die Stadt an diesem Wochenende nicht den Neonazis überlassen wird und diese unbehelligt den Geburtstag von Adolf Hitler feiern können. Daher kam der Vorschlag der AfD, unser Friedensfest auf ein anderes Wochenende zu verlegen, für uns nicht in Frage. Ostritz ist keine Nazistadt, auch nicht für ein Wochenende. 

Das Friedensfest wird hoffentlich ein munteres, frohes Fest. Zudem machen wir mit diesem Fest klar, dass wir in Ostritz auf Vielfalt, Weltoffenheit, Toleranz und ein friedliches Miteinander von Alt und Jung setzen und nicht auf Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und die Spaltung unserer Gesellschaft. Und wir machen bewusst an diesem Wochenende auf die zahlreichen Opfer des Nationalsozialismus aufmerksam, beispielsweise durch die Beteiligung des Görlitzer Vereins Meeting Point Music Messiaen sowie des Förderkreises Synagoge Görlitz.

 

Was halten Sie von der Veranstaltung der Linken?

Zunächst einmal begrüße ich das gewaltfreie Engagement aller politischer Parteien gegen Neonazis und Rechtsextremisten, auch das Engagement der Linken. Nach dem unendlichen Leid, was die Nationalsozialisten über Deutschland und große Teile der Welt gebracht haben, müssen Neonazis von allen Seiten gewaltfrei bekämpft werden. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass sich die Linken an unserer Form des parteiübergreifenden, friedlichen Protestes beteiligen. Wir brauchen einen großen gesellschaftlichen Konsens gegen das „SS-Festival“. Von daher bin ich dem Görlitzer Kreistag sowie den 40 Bürgermeistern unserer Region sehr dankbar, die parteiübergreifend unmissverständlich klargestellt haben, dass sie das „SS-Festival“ ablehnen und das „Ostritzer Friedensfest“ unterstützen.

 

Was werden Sie tun, wenn Neonazis noch öfter nach Ostritz kommen?

Sollte es weitere Veranstaltungen von Neonazis in Ostritz geben, hoffe ich, dass erneut zahlreiche Menschen aus Ostritz Gegenveranstaltungen organisieren. Wir vom IBZ stehen dafür als Veranstalter wieder zur Verfügung. Dann wird es auch weitere Aktionen geben wie z.B. einen „Ostritzer Friedenslauf“. Für jeden von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gelaufenen Kilometer wird dabei jeweils ein bestimmter Geldbetrag für Neonazi-Aussteigerprogramme bereitgestellt. 

 

Interview: Markus Kremser



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