Ehemaliger sächsischer Landeskonservator Magirius sprach in Chemnitz über Wechselburger Lettner

am 12. September

Das Triumphkreuz des Wechselburger Lettners.

Das Triumphkreuz des Wechselburger Lettners.

Chemnitz, 14.09.2018: Die Katholische Akademie hatte im Rahmen der „Herbstvorträge in der Pfarrei“ am 12. September in Chemnitz Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Magirius eingeladen, um über den Wechselburger Lettner zu sprechen. Prof. Magirius ist Kunsthistoriker in den Bereichen Baugeschichte und Denkmalpflege sowie ehemaliger sächsischer Landeskonservator. Wie ein Reisender näherte er sich dabei dem eigentlichen Objekt der Betrachtung zunächst mit einem Blick auf die Stadt Wechselburg, wies auf die besondere Situation an der Mulde hin, dem naturnahen, bis heute von Industriebauten verschont gebliebenen Umfeld und den ehemaligen Charakter als grenznaher Ort des Meißner Bistums in Beziehung zum alten Bistum Merseburg. Ausgehend von den wettinischen Stiftern, den Erbauern des ehemaligen Augustinerchorherrenstiftes erläuterte er das Schicksal des Wechselburger Stifts unter den späteren Besitzern, den Grafen von Schönburg bis hin zu der noch verhältnismäßig jungen Indienststellung der Stiftskirche als Wallfahrtskirche des Bistums (Dresden-)Meißen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Trotz baulicher Veränderungen gelang Rekonstruktion

Der geschilderte Werdegang verdeutlichte, warum jede und jeder, der heute beim Betreten der Wechselburger Stiftskirche dem Lettner begegnet, sich glücklich schätzen darf, mit diesem bildhauerischen Werk in einen visuellen und spirituellen Dialog treten zu können. Mehrere Die Wechselburger BasilikaVerläufe in der Geschichte – sei es die nachreformatorische Säkularisierung, die spätere Rekatholisierung oder die Kriegshandlungen um Wechselburg 1945  – hätten die partielle oder vollständige Vernichtung dieses monumentalen Werkes zur Folge haben können. Doch zu allen Zeiten gab es Bewahrung, wenngleich sie in Anpassung an adlige Gestaltungswünsche oder religiöse Nutzerempfindsamkeit im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Folgen hatte. Die baulichen Veränderungen des innerkirchlichen Kunstwerkes führten zu einer völligen Auflösung des Originalzusammenhanges, die einerseits zur Trennung von Triumphkreuzgruppe und Lettnerwand führte und zugleich auch eine veränderte Zuordnung der einzelnen Lettner-Bildsteine zueinander mit sich brachte.

Die im 19. Jahrhundert unternommene Rekonstruktion kann als Versuch gewertet werden, eine Antwort auf die Frage nach dem ursprünglichen Sein  des Lettners zu finden. Eine Frage, der sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts erneut sächsische Denkmalpfleger im Dialog mit Archäologen, Denkmalpflegern aus ganz Europa und Theologen widmeten, nachdem die Stiftskirche in der Nachkriegszeit an das Bistum Meißen übertragen worden war. Der Referent – damals selbst Teilnehmer des Diskurses - erinnerte an das Interesse von Bischof Otto Spülbeck an diesem Ringen um eine Lösung, die der historischen Wahrheit möglichst entsprechen und dem Charakter eines Wallfahrtsortes gerecht werden sollte.

Historische Genauigkeit unter Beachtung des Wallfahrtsgedankens

Die interdisziplinären Forschungsergebnisse, schwerpunktmäßig der Archäologie wiesen darauf hin, dass der Lettner-Standort in Wechselburg eine andere Lösung vorsah als in vergleichbaren Kirchen, er viel stärker ins Innere der Kirche gerückt war. Aber auch das wörtliche Umundumwenden der einzelnen Bildsteine und die Untersuchung der Kreuzigungsgruppe und ihre kunsthistorisch-theologische Interpretation haben schließlich dazu geführt, ein authentischeres Bild des Originallettners zusammensetzen zu können. Dabei zeigte der Referent anhand zahlreicher Details, dass das eigentliche Hauptthema des Lettners die Feier der Eucharistie ist. Die Gestaltung der Kreuzigungsgruppe mit Darstellung der Trinität sowie der typologische Bezug einzelner Figuren der Lettnerwand bzw. der Kanzel verdeutlichen dies. Mit einem Blick zur Goldenen Pforte in Freiberg und nach Halberstadt stellte Prof. Magirius die Bezüge Wechselburgs zu anderen Kunstwerken des 13. Jahrhunderts her. Trotz ihrer Ähnlichkeit besitzt Wechselburg eine eigene Formensprache und entfaltet auch aufgrund des hier verwendeten Rochlitzer Porphyrs eine andere Ausdruckskraft. Seine Einschätzung, dass der Wechselburger Lettner ein Kunstwerk von europäischem Rang sei, welches noch viel zu wenig bekannt ist, war nicht nur ein Resümé, sondern zugleich eine Übergabe des Staffelstabes an die Zuhörerschaft, diesem tief religiösen Kunstwerk eine persönliche Aufmerksamkeit zu widmen.

Silke Kosbab



Zurück Impressum