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Bistum Dresden Meissen
Ägyptischer Lotus oder Blaue Seerose (Nymphaea caerulea). © Sigrun Häusl
14. September 2021

Andere Räume. Faszination Garten zwischen Wirklichkeit und Utopie

Rückblick auf ein Seminar am 11. September 2021

Dresden. Am vergangenen Sonnabend, 11. September 2021, fand unter dem Titel „Andere Räume. Faszination Garten zwischen Wirklichkeit und Utopie“ ein Thementag statt zum 10-jährigen Bestehen des Projektes „Pflanzen der Bibel“ der Professur für Biblische Theologie (kath.) an der TU Dresden. Die Veranstaltungsorte waren das Gemeindezentrum der Evangelisch-Lutherischen Johanneskirchgemeinde in Dresden-Striesen sowie der Botanische Garten der TU. Etwa 20 Interessierte waren der Einladung zu diesem Thementag gefolgt.

210911 bibelgartenseminar 1In der Begrüßung hoben Prof. Dr. Maria Häusl, Schirmherrin des Projekts, und Dr. Barbara Ditsch, Wissenschaftliche Leiterin des Botanischen Gartens, die Interdisziplinarität des Projektes durch die enge Verbindung von Natur- und Geistes-/Kulturwissenschaften hervor, die für beide Seiten als echte Bereicherung empfunden wird. Darüber hinaus, so Häusl, sei das Projekt als Transferprojekt darauf angelegt, theologische, kulturgeschichtliche und botanische Fachthemen der Öffentlichkeit zu vermitteln. Projektmitarbeiter fr. Victor Lossau OSB umriss kurz die Geschichte des Projekts, die 2011 anlässlich des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden mit einer Ausstellung zum Thema „Die Pflanzen der Bibel“ im Botanischen Garten begonnen hatte und ab 2013 im Pillnitzer Schlosspark weitergeführt wurde. Ausdrücklich gedankt wurde auch allen Projektmitwirkenden, die in Vergangenheit und Gegenwart mit viel Engagement zusätzliche Materialien entwickelten und öffentliche Führungen hielten. (Foto: Bei der Begrüßung - v.l. - fr. Victor Lossau OSB, Prof. Dr. Maria Häusl, Dr. Barbara Ditsch)

Im ersten Vormittagsvortrag „Bilder eines guten Lebens: Alttestamentliche Garten- und Stadtbilder“, ging Frau Prof. Häusl der Frage nach, was der Mensch für ein gutes Leben brauche. Auf der Suche nach einer Antwort führte sie die Zuhörer/-innen in die Gärten Ägyptens und der Bibel sowie zu altorientalischen und biblischen Schöpfungsvorstellungen. Wichtige Marksteine auf diesem Weg waren die Vorstellung vom Land Israel als Garten in Dtn, die Schöpfungsvorstellung in Psalm 4 sowie die Vision von neuem Himmel, neuer Erde und neuem Jerusalem in Jes 65,17-25. In diesen Bildern, so Maria Häusl, gehöre die Schöpfung nicht allein dem Menschen, sondern sie sei allen Lebewesen gegeben. Gutes Leben sei nur dort möglich, wo sich der Mensch im Einklang mit allen Geschöpfen befinde.

Daran anschließend erläuterte Frater Viktor Lossau im Vortrag „Was ist anders am Andersort Garten?“ den Begriff „Andere Räume“ oder Heterotopien, den der französische Philosoph Michel Foucault 1966 geprägt hatte. Heterotopien seien „realisierte Utopien“, z.B. Theater und Ferienclubs und eben Gärten. Anhand von sechs Merkmalen, die nach Foucault für Heterotopien typisch sind, ging es auf die gedankliche Reise in ganz verschiedene Gärten und Parks Europas.

210911 bibelgartenseminar 2Einen dritten Vortrag hielt Dr. Katrin Stückrath zum Thema „Bibelgärten: Gestaltung und Theologie christlicher Themengärten“. Die evangelisch-lutherische Theologin und Pfarrerin wies eingangs auf die Entstehung der ersten Bibelgärten hin, für die die Botanischen Gärten mit ihrem pflanzengeographischen Interesse die eigentlichen Initiatoren gewesen seien. Dass auch Bibelgärten Andersorte sind, zeigte sie mittels der Foucault‘schen Merkmale an konkreten Bibelgärten in Deutschland. So repräsentiere der kreisförmig angelegte Bibelgarten in Werlte (Niedersachsen) zugleich mehrere Zeiten, indem er die biblische Heilsgeschichte vom Schöpfungsgarten bis zum endzeitlichen Paradies darstelle. Der Bibelgarten in Amelunxen (Nordrhein-Westfalen) symbolisiere das menschliche Leben mit seinen Übergängen und Krisen und lade dazu ein, über die eigenen Lebenserfahrungen nachzudenken. So können Bibelgärten Orte sein, in denen z. B. eine „ganz andere“ Zeit präsent ist oder die zur Betrachtung von Lebensthemen einladen. In fünf abschließenden Thesen stellte Frau Stückrath schließlich die aktuelle Bedeutung von Bibelgärten heraus.

Trotz des Regens waren am Nachmittag einige Besucher/-innen der Einladung in den Botanischen Garten gefolgt, um an einer der drei Führungen teilzunehmen. Dr. Barbara Ditsch leitete die Gruppe kundig durch den Garten und erläuterte dessen Geschichte und Gestaltung. Darüber hinaus gab sie interessante botanische Informationen. Begleitet wurde sie von Frau Prof. Häusl, die die biblischen Bezüge verschiedener Pflanzen darstellte, sowie von fr. Victor Lossau OSB, der einiges aus der mittelalterlichen Pflanzensymbolwelt beizutragen wusste. Höhepunkte der Führung waren zweifellos die prächtigen, blau-gelben Blüten des Ägyptischen Lotus sowie das extra für diesen Tag gezeigte Echte Weihrauchbäumchen.

Zur Webseite des Projekts

Literaturtipps:
Stückrath, Katrin: Bibelgärten. Entstehung, Gestalt, Bedeutung, Funktion und interdisziplinäre Perspektiven (Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 72), Göttingen 2012.
Häusl, Maria/Lossau, Victor (Hg.): Balsambeet und Rosenhag. Paradiese und die Kultur der Gärten, Stuttgart 2020.

Text: fr. Victor Lossau OSB, M. A.
Fotos: Sigrun Häusl