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Bistum Dresden Meissen
Die Schmeisser-Orgel in Chemnitz St. Joseph gilt als seltenes Zeugnis der Orgelbaukunst ihrer Epoche. © Pfarrei Hl. Mutter Theresa Chemnitz
18. November 2021

Schmeisser-Orgel (1936) der St.-Joseph-Kirche in Chemnitz-Sonnenberg wird nach aufwendiger Restaurierung feierlich wiedereingeweiht

Festwochenende mit Orgelkonzert am 20./21. November

Chemnitz, 18.11.2021. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten kann die Schmeisser-Orgel der katholischen St. Joseph-Kirche in Chemnitz-Sonnenberg (Ludwig-Kirsch-Str. 19) am kommenden Wochenende, 20./21. November, feierlich wiedereingeweiht werden. Dazu ist ein Festwochenende geplant, das am Sonnabend um 14.30 Uhr mit einem Vespergottesdienst mit Orgelweihe beginnt. Der Chemnitzer Propst Benno Schäffel wird der Orgel dann den Segen spenden. Um 17 Uhr folgt eine Vorstellung der Orgel durch Orgelbaumeister Ekkehart Groß und Kantor Matthias Böhm.

Am Sonntag steht dann um 10 Uhr der Festgottesdienst zu Christkönig auf dem Programm. Seinen Abschluss und sicherlich einen Höhepunkt findet das Wochenende mit dem Festkonzert um 16 Uhr. An der Schmeisser-Orgel nimmt dann Prof. Thomas Lennartz aus Leipzig Platz. Das Konzert wird auf dem Youtube-Kanal des Bistums Dresden-Meißen live übertragen. Ein einstündiger Film, der die Weihe der Orgel, die Vorstellung des Instrumentes und das Festkonzert dokumentiert, wird außerdem auf den Kanälen des Sachsen-Fernsehens zu sehen sein. Alle Hinweise dazu sowie zu Anmeldungen und Corona-Regeln finden Sie in der beigefügten Veranstaltungsübersicht.

Pfarrer Benno Schäffel: „Die Orgel gilt als Königin der Instrumente und für das Jahr 2021 wurde sie zum ‚Instrument des Jahres‘ gekürt. Da ist es eine umso größere Freude, dass zum Christkönigssonntag eine bedeutende Orgel unserer Stadt in neuem Glanz erstrahlt. Die Schmeisser-Orgel der Chemnitzer St. Joseph Kirche ist saniert und restauriert. Seit Jahren ist dieses Vorhaben im Gespräch und seit Monaten sind nun viele fleißige Hände und interessierte Unterstützer an diesem Projekt beteiligt.“

Schmeisser-Orgel gilt als seltenes historisches Zeugnis

Die von der Orgelbauwerkstatt Schmeisser in Rochlitz erbaute Orgel der St. Josephskirche stammt aus dem Jahr 1936. Dr. Horst Hodick, Orgel- und Glockensachverständiger des Landesamts für Denkmalpflege Sachsen: „Sie ist in vielerlei Hinsicht ein interessantes und wertvolles historisches Zeugnis der an Orgelneubauten armen Zwischenkriegszeit. In ihr finden die kurz vor dem ersten Weltkrieg erstmals von Albert Schweitzer formulierten und ab etwa 1925 wirksam werdenden Gedanken der sogenannten ‚Orgelbewegung‘ – einer Reformbewegung im Orgelbau und in der Orgelmusik – ihren deutlichen Niederschlag.“

Nach der Katastrophe des ersten Weltkrieges wollte man nicht nur in Politik und sozialem Zusammenleben, sondern auch in der Kirchenmusik neue Wege beschreiten. Orgelsachverständiger Dr. Hodick: „Die Entwicklung führte weg von den bis dahin gewohnten Klängen der Spätromantik – die nun als matt, dumpf, weichlich, überladen oder schwülstig empfunden wurden. Das neue Klangideal, vergleichbar durchaus auch mit den Tendenzen in der Komposition und der Architektur der 1920er und frühen 1930er Jahre, sollte hell, prägnant und klar sein.“

So strebte man im Orgelbau neue Klänge an, die man allerdings nicht ohne einen historischen Rückbezug auf die Orgelmusik und den Orgelbau der „alten Meister“ zu verwirklichen suchte. Dr. Hodick: „Diese Hinwendung – sowohl zu ganz neuen Klängen als auch zu weit zurückliegenden Klangidealen des 17. und 18. Jahrhunderts – führten zu einem den gesamten europäischen Orgelbau des 20. Jahrhunderts prägenden stilistischen Umbruch. Letztlich entstanden so neuartige Instrumente, die es ermöglichten, ein zeitlich sehr weit gespanntes musikalisches Repertoire in einer für das 20. Jahrhundert ausgesprochen typischen Klangsprache darzustellen.“

Fast völlig original erhaltene Orgel in St. Joseph

Zu diesen Instrumenten gehört die fast völlig original erhaltene Orgel der Katholischen Kirche St. Joseph. Dr. Hodick: „Sie ist ein bedeutendes Klangdenkmal des sächsischen Orgelbaus des 20. Jahrhunderts. Es ist ein wertvoller kultureller Schatz, dass ein so seltenes und interessantes Klangdenkmal in der Katholischen Kirche St. Joseph in Chemnitz weitgehend unverändert erhalten ist. Ihre Erbauer waren Alfred Schmeisser (1878-1959) und dessen Sohn Reinhard (1909-1978) aus Rochlitz.“ Bereits Alfreds Großvater Wilhelm Eduard (1817-1882) war Orgelbauer und hatte 1844 in Rochlitz seine eigene Werkstatt gegründet. Diese war stets an technischen und klanglichen Neuerungen interessiert. So ist leicht nachvollziehbar, dass Alfred Schmeisser seinen Sohn nicht in der eigenen Werkstatt ausbildete, sondern zu den weit entfernten, aber sehr renommierten und fortschrittlichen Werkstätten Laukhuff in Weikersheim und Goebel nach Danzig in die Lehre schickte. Vor allem der Orgelbauer Joseph Goebel (1893-1969) dachte auf dem Gebiet der Klanggestaltung außerordentlich fortschrittlich und beeinflusste Reinhard Schmeisser - auch beim Bau der Chemnitzer Orgel - ganz wesentlich. Goebel gilt als ein „Pionier“ der Orgelreformbewegung; er beschäftigte sich intensiv mit dem Obertonaufbau von Orgelpfeifen und den Möglichkeiten einer Nutzung unharmonischer Obertonregister in Orgeldispositionen.

Orgelexperte Hodick: „Auch an der Orgel in St. Joseph sind zahlreiche Spuren erkennbar, die sowohl auf den Einfluss der Reformbestrebungen und die Ziele der Orgelbewegung als auch auf Goebels direkten Einfluss hinweisen. So werden unter anderem im Kostenangebot von 1934 zum Neubau des Instruments die einzelnen Pfeifenbauformen der Register und der gewünschte Klang beschrieben, die sich von denen der romantischen Epoche stark abheben: So wird etwa die in ungewöhnlicher Lage disponierte Trompete 4‘ des Hauptwerks als ‚nach dem Schnarrwerkstyp‘ gebaut beschrieben, eine Bezeichnung, die auf Zungenregister der Renaissance und des Frühbarock hinweist und damit in einem krassem Gegensatz zu romantischen Zungenstimmen steht, die möglichst weich und rund klingen sollten. Prinzipal 8‘ des Hauptwerks und Italienisch Prinzipal 4‘ im Pedal werden ‚nach klassischen Gesetzmäßigkeiten‘ konstruiert, die Mixtur des Hauptwerks und die Rohrquinte des Schwellwerks sogar in ‚Barockmensur‘ gestaltet.“

Aufbruch zu neuen Klängen

Einen direkten Bezug auf ein wichtiges sächsisches Instrument des Barock stellt Schmeißer mit der sehr seltenen Bezeichnung „Schallflöte“ her: Eine solche wurde 1722 von dem Orgelbauer Johann Scheibe in die Orgel der Leipziger Thomaskirche eingebaut (dort als 1‘). Allerdings ist die Konstruktion dieses Registers, dessen Pfeifen einen Hut besitzen, in dem sich wiederum ein Loch befindet, keineswegs historisch, sondern eindeutig eine Weiterentwicklung der sogenannten „Tonnenpfeife“, die Joseph Goebel ab etwa 1930 in Danzig entwickelt hatte.

Dr. Hodick: „An diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass die sogenannte ‚Orgelreform‘ oder ‚Orgelbewegung‘ keineswegs eine nur historisierende, den historischen Orgelbau kopierende Strömung war; vielmehr bestand sie aus einem Gemisch von Rückbezügen auf längst vergangene Klangideale, einer vehementen Ablehnung der unmittelbar vergangenen Epoche der Romantik und dem stürmischen Aufbruch zu ganz neuen Klängen.“

Dr. Horst Hodick
MB
S. Schilling


VERANSTALTUNGSÜBERSICHT

Sonnabend, 20. November
14.30 Uhr: Vespergottesdienst mit Orgelweihe (Online-Anmeldung erforderlich: https://hl-mutter-teresa-chemnitz.de/gottesdienstanmeldung/)

17.00 Uhr: Vorstellung der Orgel durch Herrn Orgelbaumeister Ekkehart Groß und Kantor Matthias Böhm (keine Voranmeldung, Besuch nur unter 2G-Regel)

Sonntag, 21. November
10.00 Uhr: Festgottesdienst zu Christkönig (Online-Anmeldung erforderlich: https://hl-mutter-teresa-chemnitz.de/gottesdienstanmeldung/) 16.00 Uhr: Festkonzert mit Prof. Thomas Lennartz, Leipzig (keine Voranmeldung, Besuch nur unter 2G-Regel)

YOUTUBE-LIVESTREAM
Das Festkonzert am 21. November wird ab 16.00 Uhr live auf dem Youtube-Kanal des Kath. Bistums Dresden-Meißen gestreamt: https://www.14dd5266c70789bdc806364df4586335-gdprlock/user/bistumdresdenmeissen

SENDUNG AUF SACHSEN-FERNSEHEN
Ein einstündiger Film, der die Weihe der Orgel, die Vorstellung des Instrumentes und das Festkonzert zusammenfassend dokumentiert wird auf den Kanälen des Sachsen-Fernsehens zu sehen sein:
27.11. 20 Uhr / 28.11. 19 Uhr / 29.11. 21 Uhr / 01.12. 07 Uhr / 02.12. 07 Uhr

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