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Bistum Dresden Meissen
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. © picture alliance / Tobias Hase für Deutsches Ärzteblatt
07. Dezember 2021

Impfgerechtigkeit global

Ethikgipfel im Podcast „Mit Herz und Haltung“ mit Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery und Weihbischof Anton Losinger

Dresden. „Das darf nicht in dem Chaos enden, wie wir es zum Beginn der Impfkampagne hatten.“ Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery erwartet von der neuen Bundesregierung eine klügere Analyse eigener Impfstoffbedarfe und fordert eine international gerechtere Impfstoffverteilung durch die weltweite Besteuerung von oder Sonderabgaben für Produzenten. Das betonte er beim Ethik-Gipfel des Podcasts „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. In der aktuellen Folge diskutieren Frank Ulrich Montgomery und Anton Losinger, Augsburger Weihbischof und Mitglied der Ethikkommission der Deutschen Bischofskonferenz, mit Akademiedirektor Thomas Arnold über globale Impfgerechtigkeit und die politischen Herausforderungen in der aktuellen Phase der Corona-Pandemie.

Pharmaindustrie bei Pandemiebekämpfung stärker in die Pflicht nehmen

Sowohl Montgomery als auch Losinger betonten mit Blick auf das Thema der Impfungen die globale Dimension der Pandemie. „Wir müssen die Welt impfen, nicht nur uns selber“, so der Weltärztepräsident. Hier müsse auch die Pharmaindustrie mehr in die Pflicht genommen werden. Montgomery kritisierte die Preispolitik des amerikanischen Pharmakonzerns Pfizer. Statt großer Gewinne solle dieser dafür sorgen, den Impfstoff weltweit bezahlbar zur Verfügung zu stellen. Weihbischof Losinger gab zu bedenken, dass ein Unternehmen, dessen Forschung durch Steuermittel subventioniert wurde, auch eine ethische Verpflichtung habe, sich nicht übermäßig an der eigenen Entwicklung zu bereichern. Beide sprachen sich dafür aus, nicht den Weg über die Freigabe von Patentrechten zu gehen, sondern Unternehmen vorrangig über entsprechende Besteuerungen oder Sonderabgaben in die Pflicht zu nehmen. Das gehe natürlich nur auf globaler Ebene, betonte Montgomery. Zugleich stellte er klar, dass „es überhaupt nicht unanständig ist, mit der Krankheit anderer Menschen Geld zu verdienen“. Es sei jedoch „extrem unanständig, mit der Krankheit anderer Menschen zu viel Geld zu verdienen“.

Neue Bundesregierung müsse mehr für die globale Bekämpfung der Pandemie tun

Obwohl die globale Verteilung von Impfstoffen gegen Covid-19 noch nicht befriedigend sei, sieht Montgomery die COVAX-Initiative keineswegs als gescheitert an. Neben der Impfstoffherstellung, die in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll sei und deshalb nicht überall durchgeführt werden könne, gebe es vor allem ein Problem in Ländern, in denen keine funktionierende Gesundheitsversorgung existiere, so dass der Impfstoff nicht zu Menschen gelangen könne. Auch die WHO sei bislang gescheitert, dort entsprechende Strukturen aufzubauen. In Richtung der neuen Bundesregierung forderte Montgomery, zunächst eine genaue Bestandsaufnahme durchzuführen, um den Eigenbedarf an Impfstoffen zu bestimmen; ferner müssten gegebenenfalls zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, um verschiedene Impfstoffe für andere Länder zuzukaufen. Wichtig sei aber vor allem, nicht nur finanzielle Unterstützung zu leisten, sondern gezielt die nötigen Strukturen für Impfungen vor Ort aufbauen. Weihbischof Losinger plädierte für eine Aufteilung des Impfstoffes, die auf globaler Ebene eine „möglichst hohe Effizienz des Schutzes von Leben und Gesundheit“ erreicht.

Überzeugungsarbeit bleibe auch bei einer Impfpflicht notwendig

Montgomery begrüßte ferner die in Aussicht stehende Möglichkeit einer allgemeinen Impfpflicht in der Bundesrepublik, wies zugleich aber darauf hin, dass es bei deren Umsetzung ein logistisches Problem gebe. Am Impfstoff selbst mangele es nicht, so Montgomery, allerdings brauche es „die Mitarbeit von Praxen, von Impfzentren, von Kliniken, von allen Menschen, die in der Lage sind, Impfstoff zu verabreichen“ – nur dann ließe sich diese auch praktisch umsetzen. Weihbischof Losinger mahnte, dass auch bei einer Impfpflicht weiterhin noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sei. Man müsse damit rechnen, „dass eine Impfpflicht etwa im professionellen Bereich dazu führt, dass wir in Dilemma-Situationen kommen“, wenn sich nämlich ein hinreichend großer Teil des Pflegepersonals dieser entzieht. Angesprochen auf die Durchsetzung einer möglichen Impfpflicht in kirchlichen Pflegeeinrichtungen räumte Losinger den Vorrang der Bindung von Pflegepersonal ein: „Ehe ich ein Altenheim ohne Pfleger lasse, bleibt mir sozusagen nichts anderes übrig“.

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören:
https://lebendig-akademisch.podigee.io/143-jetzt-impfen-aber-richtig

 

Kurzbiografien

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery studierte Medizin in Hamburg und Sydney. Von 1986 bis 2018 war er zunächst als Fach- bzw. Oberarzt für Radiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.  Von 1989 bis 2007 war Montgomery erster Vorsitzender des Bundesvorstandes des Marburger Bundes. Ab 2011 begleitet er für acht Jahre das Amt des Präsidenten der Bundesärztekammer. Seit 2019 ist er zudem Präsident des Ständigen Ausschusses der Ärzte der Europäischen Union sowie Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes.

Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger studierte Philosophie und katholische Theologie in Augsburg und wurde 1983 zum Priester geweiht. Nach seiner Promotion in Theologie 1988 studierte er Volkswirtschaftslehre und wurde 1993 erneut promoviert. 2000 wurde er durch Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof der Diözese Augsburg und zum Titularbischof von Vazi-Sarra ernannt. Seit 2015 ist Weihbischof Losinger zudem Bischofsvikar für Bioethik und Sozialpolitik. Nach weiteren zahlreichen Mitgliedschaften, u.a. der Ethikkommission der Deutschen Bischofskonferenz, wurde er 2020 als Mitglied der Bayrischen Ethikrats berufen.

 

Der Podcast „Mit Herz und Haltung“

Im Podcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen Stellung zu den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Fragestellungen. Neue Folgen erscheinen in regelmäßigen Abständen auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts, YouTube sowie auf den Websites der Akademie (www.lebendig-akademisch.de) und des Bistums (www.bistum-dresden-meissen.de).