Menü
Bistum Dresden Meissen
08. Dezember 2021

Kirchliche Sexualmoral weiterentwickeln

Bischöfe von Dresden-Meißen und Essen melden sich im Buch "Katholisch und Queer" zu Wort

Paderborn/Dresden. In einem vor Kurzem im Paderborner Bonifatius Verlag erschienenen Buch mit dem Titel "Katholisch und Queer" haben sich auch die Bischöfe Heinrich Timmerevers aus Dresden und Franz-Josef Overbeck aus Essen mit eigenen Beiträgen zu Wort gemeldet. In dem von Mirjam Gräve, Hendrik Johannemann und Mara Klein herausgegebenen Buch berichten lesbische, schwule, gleichgeschlechtlich lebende, bisexuelle, sowie trans, inter, nichtbinäre und andere queere Menschen von ihren Erfahrungen mit Glauben und Kirche. Auch Menschen aus ihrem Umfeld wie Eltern oder Geschwister sowie Stimmen aus Verbänden, Amtskirche, Theologie und Seelsorge kommen zu Wort. In den Texten der Bischöfe von Dresden-Meißen und Essen wird dabei eine Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral angeregt.

"Man sucht sich seine Sexualität nicht aus", sagt Bischof Heinrich Timmerevers. Vielmehr seien homosexuelle Partnerschaften, Transgender und Diversität aufgrund neuer Erkenntnisse der Sexualwissenschaft neu zu bewerten. Über Jahrhunderte habe die Kirche "Menschen falsch beurteilt und mit ihrer Situation und Befindlichkeit alleingelassen und de facto in ein Abseits gestellt", so der Bischof. "Hier haben wir Unrecht begangen und sind auch schuldig geworden."

Das neu erschienene Buch zum Thema Queer-Sein und katholische Kirche will einen Raum der Begegnung schaffen. Gleichgeschlechtlich liebende, bisexuelle, sowie trans, inter, nichtbinäre und andere queere Christen berichten darin ihre Erfahrungen mit Gott, dem Glauben und katholischen Institutionen. Sie schildern ihre Lebensgeschichten, erzählen von LGBT*-Feindlichkeit in der Kirche, von Diskriminierung und Ausgrenzung und formulieren ihren Wunsch nach einem Wandel hin zu einer menschenfreundlichen Kirche.

Ergänzt werden die authentischen Lebensgeschichten von den Stimmen der Geschwister, Eltern, Seelsorgerinnen und Seelsorger. Auch Bischöfe, Vertreterinnen und Vertreter katholischer Organisationen sowie Theologinnen und Theologen stellen sich der Frage, mit welcher Haltung die Kirche den Menschen begegnen will. Bischof Timmerevers: "Als Kirche müssen wir uns hinterfragen, mit welcher Haltung wir Menschen begegnen. Das Fundamentalste ist eine Haltung, die den anderen annimmt, so wie auch Gott jeden Menschen trotz und mit allem annimmt – jeden Menschen."

Bischof Overbeck aus Essen spricht sich in seinem Beitrag gegen "das Festhalten an einer Sexualmoral, die zum Beispiel gleichgeschlechtlich liebenden Menschen die Möglichkeit einer gelingenden und erfüllenden Beziehung praktisch verwehren möchte" aus und sagt "die Lebenserfahrungen und tiefen Empfindungen derer, die homosexuell oder transident sind, haben mich sehr berührt." Die kirchliche Lehre müsse diese konkreten Lebenszeugnisse integrieren. Versuche, Homosexualität als "unnatürlich" zu pathologisieren, stünden im Widerspruch zu den Erkenntnissen human- und sexualwissenschaftlicher Forschung. Durch Wiederholen der gängigen lehramtlichen Bewertung der Homosexualität werde niemand mehr überzeugt. Dies führe lediglich dazu, dass sich Menschen gekränkt und verletzt von der Kirche abwendeten, so Overbeck. Auch Papst Franziskus habe deutlich gemacht, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlichen Schutz verdienen, so Overbeck weiter. Nach Ansicht des Bischofs von Essen bringe er damit "eine neue Form der Wertschätzung zum Ausdruck, die den Ausgangspunkt für eine (ortskirchliche) Neubewertung der Homosexualität bilden kann". Allerdings stünde diese Entwicklung im Spannungsverhältnis zum Nein der Glaubenskongregation des Vatikans zu einer Segnung homosexueller Partnerschaften.

Die kirchliche Sexualmoral ist ein Thema des Synodalen Wegs, bei dem die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. 

Mirjam Gräve, Hendrik Johannemann, Mara Klein (Hrsg.): Katholisch und Queer – Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln. Bonifatius Verlag, Paderborn 2021, ISBN 978-3-89710-915-5, 304 Seiten, 22 Euro.