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Bistum Dresden Meissen
Wolfgang Thierse
27. Januar 2022

„Montagsspaziergänge“ sind Verfälschung von 1989

Wolfgang Thierse übt im Akademie-Podcast Kritik an den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen

Dresden, 27.01.2022. In der neuen Podcastfolge von „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen kritisieren Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse und die ehemalige Präsidentin des sächsischen Verfassungsgerichts, Birgit Munz, die aktuellen Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Die „Montagsspaziergänge“ seien sowohl ein Missbrauch des Begriffs „ziviler Ungehorsam“ als auch eine Perversion des Andenkens an die Friedliche Revolution 1989.

Kritik an Gewaltausbrüchen und Verantwortungslosigkeit

Thierse hob mehrfach hervor, dass zum zivilen Ungehorsam ein Verzicht auf Gewalt gehöre. Hierin sieht er einen zentralen Unterschied zwischen den aktuellen „Spaziergängen“ und den Montagsdemonstrationen in der DDR: Gewalt sei dort nur von Seiten der Staatsmacht ausgegangen, nicht von den Demonstranten. Bei den aktuellen Protesten gebe es hingegen wahrnehmbaren Hass und Gewaltausbrüche gegen Polizisten. „Es tut schon weh,“ so Thierse, „wenn man sieht, welche Verfälschung das ist gegenüber dem, was die Freiheitsrevolution von 1989 ausgemacht hat.“ Zugleich zeigte sich der ehemalige Bundestagspräsident schockiert von der „Trennung von Freiheit und Verantwortung“ angesichts der Corona-Pandemie: Den Demonstranten gehe primär es um sich selbst, so Thierse, etwa darum, sich nicht impfen zu lassen. Dabei gerieten die Konsequenzen ihres Handelns für andere und das Gemeinwohl aus dem Blick.

Ein Angriff auf demokratische Institutionen und den Rechtsstaat

Die „Montagsspaziergänge“ richteten sich nicht gegen einzelne Gesetze oder Verordnungen, sondern seien ein Angriff auf demokratische Institutionen und den Rechtsstaat insgesamt, erklärte der ehemalige Bundestagspräsident. Aus ebendiesem Grund kritisierte er auch die Inanspruchnahme des Begriffs des Widerstands und jeden Vergleich mit der DDR: Das sei „eine Perversion“, man könne es nicht anders beschreiben, so Thierse. Munz wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch die Spaziergänge der Rechtsstaat gezielt vorgeführt werden solle, indem die Teilnehmenden zu zeigen versuchten, dass dieser nicht in der Lage sei, seine eigenen Regeln durchzusetzen. Es handele sich hier um einen „Regelverstoß, der zur Destabilisierung dienen soll“, so Munz.

Aufruf zu zivilgesellschaftlicher Reaktion und Solidarität

Beide unterstützten die Initiative „Bautzen gemeinsam“, die für Freitag, 28. Januar 2022, zu einem stillen Lichterzug für Solidarität in der Corona-Pandemie aufruft: „Mitzulaufen wäre die gute Tradition, die an den Herbst von 1989 anknüpft“, so Thierse. „Wir sind damals mit Kerzen auf die Straße gegangen, wir haben gerufen: Keine Gewalt!“

Auch Bischof Heinrich Timmerevers unterstützt dieses Anliegen: “Nicht die Pandemie macht unser Miteinander kaputt, sondern das hetzende Wort. Es schürt Hass statt Frieden zu suchen. Deswegen begrüße ich das morgige Zeichen vom Bautzener Dom für unsere Republik und ermuntere alle, die den ernsthaften Dialog möchten, sich am Freitag sowohl mit Gebet als auch am anschließenden Umzug friedlich und mit der Sehnsucht nach Versöhnung zu beteiligen.”

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören: https://lebendig-akademisch.podigee.io/161-spazieren-als-ziviler-ungehorsam 

Alle Podcast-Folgen von „Mit Herz und Haltung“: www.lebendig-akademisch.de/podcast