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Bistum Dresden Meissen
Bischof Heinrich bei der Taufe eines Erwachsenen in der Dresdner Kathedrale. © Tobias Sauer
31. Januar 2023

Als Erwachsene getauft – und dann?

Wie Integration in die Kirche vor Ort gelingen kann

Dresden. Die Zahl der Menschen, die aus der Kirche austreten, steigt seit Jahren. Doch entgegen diesem Trend ließen sich in den Jahren 2012 bis 2021 im Bistum Dresden-Meißen insgesamt 569 Erwachsene taufen. Was waren ihre Gründe dafür? Wie haben sie sich in ihren Gemeinden eingelebt? Wie werden Erwachsengetaufte in die Gemeinden vor Ort integriert und finden dort Heimat? Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap), Bochum, fertigte in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung Pastoral und Verkündigung im Bistum Dresden-Meißen eine Studie zu dieser Frage an (Zu den Ergebnissen der Studie als pdf-Datei - hier klicken...).

Bischof Heinrich Timmerevers richtete in der Folge eine Arbeitsgruppe ein, sich weiter mit diesem Thema zu befassen. So wurden beispielsweise die in den letzten Jahren getauften Erwachsenen zum gemeinsamen Treffen eingeladen. Ziel war es auch, die Gemeinden für das Thema Integration der Neugetauften zu sensibilisieren. Mit einigen Menschen, die sich im Erwachsenenalter haben taufen lassen, haben wir für diesen Beitrag gesprochen.

Vorweg: der Weg zur Kirchenmitgliedschaft geht nicht im Schnelldurchlauf. Vor der Taufe absolvieren die Taufbewerberinnen und -bewerber einen mindestens einjährigen Kurs, der sie in den katholischen Glauben einführt. Traditionell trifft sich der Bischof dann am Tag vor dem 1. Fastensonntag mit ihnen, lässt sie von ihrem Weg zum Glauben berichten und überreicht ihnen in einer Andacht das Glaubensbekenntnis – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Taufe. Diese empfangen die meisten Katechumenen dann in der folgenden Osternacht.

In Aktivitäten eingebunden - wirkt als "Magnet"

Begeistert und bewegt erzählt Thomas N. (46) von seiner Taufe 2021. Oftmals hatte er seine Frau bereits zu den Sonntagsgottesdiensten in die Kathedrale begleitet. Mit der Zeit – er beschreibt es als „langsamen, langen Weg“ – wurde sein Wunsch immer stärker, auch die Kommunion mit ihr und den anderen Menschen im Gottesdienst, die ihm vertraut geworden waren, teilen zu können. „Ich hatte mir die Kirche anfangs unlebendig vorgestellt, aber je mehr Leute ich dort kennenlernte, desto mehr merkte ich: Das sind Menschen, die sich gegenseitig ernstnehmen“, resümiert er. Dompfarrer Norbert Büchner binde ihn jetzt immer wieder in Aktivitäten ein; auch andere fragen ihn immer wieder an. „Aber das ist gut so, weil ich so der Kirche nicht verloren gehe. Das ist für mich wie ein Magnet“, so Thomas N.

„Unbeschreiblich schön, überwältigend“ – so erlebte auch Ingrid K. (70) ihre Taufe in der Osternacht 2019 in der Kathedrale. Und der Gedanke an ihre Erstkommunion im selben Gottesdienst berührt sie immer noch zutiefst. – „Es war ein langer Weg bis zur Taufe“, sagt sie und findet rückblickend immer wieder Zeichen auf ihrem Lebensweg: sei es, dass sie zusammen mit ihrem ersten Mann in jedem Urlaub in die Kirche ging oder dass sie nach seinem Tod immer wieder spürte: „Da ist jemand, der mich auffängt.“ Und sie sei schon immer „Seelsorgerin für die Kollegen“ gewesen.

Mit ihrem zweiten Mann, den sie 2008 kennenlernte, kann Ingrid K. „wunderbare Gespräche über Glauben und Kirche“ führen. Den Glaubenskurs mit dem Dompfarrer nennt sie „traumhaft“: Die Teilnehmenden seien miteinander „eine tolle Truppe, wie eine große Familie“ gewesen, schwärmt sie. Was sie nach der Taufe erlebte, hat sie jedoch „ein bisschen enttäuscht“: Der Gemeinde, zu der sie von ihrem Wohnort her gehört, habe sie sich zwar vorgestellt, doch leider ohne Resonanz. „Wir wurden nicht integriert“, so ihr bitteres Fazit. „Ein riesengroßer Knackpunkt“ sei, dass es vor Ort keine Ansprechpartner für Geistliches und Konkretes gebe. Ihr Wunsch: „Erwachsengetaufte sollten die Möglichkeit haben, in regelmäßigen Abständen zum Austausch miteinander, aber auch mit Taufbewerbern ins Gespräch zu kommen.“

Ein Bibeltext als Initialzündung

„Ich war stolz auf meinen Atheismus und politisch eher rechts eingestellt“, blickt Marco L. (23) auf die Zeit vor seiner Taufe zurück. Sein Weg zum Glauben hängt mit seiner Freundin zusammen: Er begleitete sie gelegentlich zum Sonntagsgottesdienst – dort berührte ihn das Evangelium vom armen Lazarus und dem reichen Mann (Lk 16,19-31) stark. „Ich erkannte, wie weit entfernt von Gott ich gelebt habe“, bekennt er freimütig. Er kaufte sich umgehend einen Jugendkatechismus und eine Bibel und las dann regelmäßig darin. „Der Glaube ist für mich das größte Geschenk – ich möchte nicht mehr ohne Jesus leben“, so Marco L.

Er setzte sich mit dem Ortspfarrer in Verbindung, der auch heute noch sein geistlicher Begleiter ist. Etwa ein halbes Jahr nach seiner Taufe in der Osternacht 2021 begann er mit dem Würzburger Fernkurs Theologie. Heute will er auch anderen Menschen von Jesus erzählen und stellt sich dafür mit Gleichgesinnten auf die Straße. Er versucht, Gottes Zeichen in der Welt wahrzunehmen: „Ich weiß jetzt, wem ich danken kann!“, sagt er erleichtert.

Gottesdienst-Streaming als Hilfe

„Bei den vielen Problemen, die die katholische Kirche derzeit hat und die ich auch kritisch begleite, will ich die Chance nutzen zu sagen, was alles toll ist“, sprudelt es aus Steven W. (44) heraus, der sich im vergangenen Jahr taufen ließ. Und er zählt auf: die Taufvorbereitung, Begegnungen und Gespräche mit Bischof Heinrich, die Taufe, der Pfarrer vor Ort, der Kinderchor seiner Tochter mit seiner Freude am Glauben und Singen... Dass er selber zeitweise weniger Kontakt zur Kirche habe als vor seiner Taufe, hing vor allem mit Corona zusammen, nicht mit dem Pfarrer oder der Gemeinde, betont er. Die aus „seiner“ Gemeinde gestreamten Gottesdienste hätten ihm in der Zeit der coronabedingten Beschränkungen sehr geholfen.

Dora Anne P. (58) gehörte vor ihrer Taufe vor acht Jahren zu einer amerikanischen Freikirche, in der sie den Glauben als zu „verkopft“ empfand. „Am Anfang steht das Geschenk, das Gott gibt“ – dieser Gedanke habe ihr neue Horizonte eröffnet, erzählt sie. In der Gemeinde seien viele Kreise nicht so offen für Neue – aber sie tue sich nicht schwer, Kontakte zu knüpfen, habe selber die Initiative ergriffen und singe im Chor mit, engagiere sich nach Kräften in verschiedenen Projekten. „Es gibt immer, nicht nur in der Kirche, den Auftrag, den Nächsten im Blick zu haben“, ist Dora Anne P. überzeugt. Aber es sei auch wichtig, den Neugetauften Wertschätzung zu schenken und sie zu ermutigen, sich als „lebendige Bausteine“ einzubringen.

Text: Elisabeth Meuser