Elias verkündet nicht nur eine musikalische Botschaft
130 Musiker begeistern das Publikum in der Hofkirche
Dresden. Die Dresdner Kapellknaben führen erstmals Mendelssohns opulentes Oratorium auf. 130 Musiker begeistern das Publikum in der Hofkirche, das mehr mitnimmt als nur wunderbare Musik.
Es sind Szenen, wie man sie von Konzerten großer Pop-Künstler kennt: Am Eingang wird auf einem Pappschild, das eine Frau in den Händen hält, nach Karten für die ausverkaufte Elias-Aufführung gesucht. Und nach dem Auftritt sollen Kapellknaben ihre Autogramme ins Programmheft schreiben. Die sind zu diesem Zeitpunkt vor allem eins: glücklich – und geschafft.
Zweieinhalb Stunden lang die Spannung und Konzentration nicht zu verlieren, ist eine Herausforderung – vor allem für die Jüngsten unter den Dresdner Kapellknaben, den Neun- und Zehnjährigen. Der kurze Spaziergang an die frische Luft, der unbemerkt vom Publikum in der ehemaligen Hofkirche, zwischen erstem und zweitem Teil des Elias fürs Trinken genutzt wird, lohnt sich. Die Aufführung des Oratoriums von Felix Mendelssohn Bartholdy bleibt bis zu den letzten Takten kraftvoll und präzise.
In der Pause, in der der 90-köpfige Chor hinter dem gewaltigen Altarbild verschwindet, nutzt Kaplan Michael Kreher, der Spiritual der Kapellknaben, um den schweren Stoff der alttestamentarischen Figur des Elias einzuordnen. Der Prophet tritt im ersten Teil als kämpferischer Held auf, im zweiten aber als zweifelnder, leiser, gebrochener Mann. Er legt sich in die Wüste, um zu sterben. In diesem Moment kommen Engel, um ihn zu trösten. Das Terzett „Hebe deine Augen auf“, das den Psalm 123 so wunderbar in Musik fasst, gehört zu den Höhepunkten des 1856 uraufgeführten Werkes – und auch am Samstagabend. Knaben und Engelsgesang, diese Kombination geht unter die Haut.
Für den Kaplan konzentriert sich die Botschaft des ganzen Oratoriums in „diesen wenigen Takten Musik: Gott zeigt sich nicht in den Naturgewalten, sondern im Säuseln des Windes.“ Nur wer vertraue, dem könne er helfen. „Ich wünsche uns, dass wir uns getragen, geliebt und von guten Engeln umgeben fühlen – und dass diese Musik nachklingen wird.“
Zumindest der letzte Wunsch dürfte in Erfüllung gehen. Kapellknaben, Kathedralchor, 40 Musiker der Sächsischen Staatskapelle und die Solisten erzählen die Geschichte voller Hingabe und Spannung. Die energische Rhythmik, die expressiven Melodien und die dramatischen Chorsätze tragen sie genauso in diesen opulenten Raum mit dem Acht-Sekunden-Nachhall wie die leisen Töne. Felix Rohleder, der die Rolle des Elias mit seinem Bass wunderbar ausfüllt, berührt vor allem in der Szene in der Wüste, die er derart einfühlsam singt, dass sich Traurigkeit und Einsamkeit auf das gebannt lauschende Publikum zu übertragen scheint.
Für Christian J. Bonath, der die 130 Musiker auf den Altarstufen mit seinem energischen Dirigat leitet, war die Einstudierung des Elias ein Wagnis. Noch nie in der mehr als 300-jährigen Geschichte der Kapellknaben hat der Chor dieses Werk gesungen, noch nie wurde es in der Kathedrale aufgeführt. Zudem war der Terminkalender für den Knabenchor in den vergangenen vier Wochen rappelvoll: Erst die Fahrt nach Rom mit einem Mini-Konzert bei der Generalaudienz von Papst Leo vor 60.000 Gläubigen auf dem Petersplatz, dann die Uraufführung einer Messe im Deutschlandfunk, schließlich Mozarts Requiem am Gedenktag Allerseelen. Und nun der Elias. „Das alles in solch einer Schlagzahl einzustudieren, ist eigentlich Wahnsinn. Das geht nur, wenn die Jungs das auch wollen. Und sie haben Feuer gefangen, man spürt: Das macht was mit ihnen“, so Bonath.
Das Publikum in der ausverkauften Kathedrale erhebt sich nach dem Schlusschor, spendet minutenlang Applaus, den meisten Felix Rohleder. Doch auch die Kapellknaben-Solisten bekommen viel Beifall, unter ihnen ist Oliver Zifei Liu, der die Rolle des Knaben, der nach einer Regenwolke Ausschau halten soll, von der Kanzel aus singt. „Vorher war ich schon aufgeregt. Als die Leute am Ende so laut applaudiert haben, fühlte ich mich glücklich“, erzählt der Sopranist – und soll, das erste Mal in seinem Leben, ein Autogramm schreiben.