„Die Demokratie steht vor Herausforderungen, aber sie steckt nicht in der Krise.“
Akademiepodcast mit Leipziger Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Decker zum Start ins Wahljahr 2025
Dresden – Rund fünf Wochen vor der Bundestagswahl beleuchtet der Leipziger Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Decker im Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Herder Korrespondenz, wie es gegenwärtig um das Vertrauen in die Demokratie bestellt ist. Im Gespräch mit der Ko-Leiterin des Büros Hauptstadt / Ostdeutschland der Katholischen Nachrichtenagentur KNA Dr. Karin Wollschläger zeichnet der Direktor des Else-Frenke-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung in Sachsen an der Universität Leipzig ein mitunter zwar sorgenvolles, aber keineswegs hoffnungsloses Bild des aktuellen Zustands der bundesdeutschen Demokratie.
Ausgehend von der langjährigen sozialwissenschaftlichen Forschung in der „Leipziger Autoritarismus-Studie“ (bis 2018 Leipziger „Mitte-Studie“) analysiert Decker die gegenwärtige Attraktivität extrem rechter Politikangebote und bewertet diese als Symptom gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen: Diese seien ein Zeichen dafür, dass „sehr viel weniger Menschen Akzeptanz“ für die gewachsene „Pluralität der Gesellschaft“ aufbrächten und „sich sehr viel mehr Menschen klare autoritäre Geländer wünschen". Zugleich macht Decker eine solche Tendenz „nicht nur rechts, sondern auch in den Milieus, die sich selber als links oder liberal verstehen“ aus, sei doch auch dort mitunter ein „Rückgang an Fähigkeiten, Ambiguität und Vielschichtigkeit auszuhalten", zu beobachten.
Statt von einer „Politikverdrossenheit“ sei angesichts einer Überforderung vieler Menschen durch „Entgrenzungen“ der Alltagswelt in den vergangenen Jahrzehnten in seinen Augen vielmehr von einer „hohen Unzufriedenheit mit der Demokratie, die mit einer Zunahme von autoritären Wünschen und Bedürfnissen zusammenhängt, also im Grunde einem Wechsel dessen, was Politik leisten soll“, zu sprechen, die unterdessen mit einem gewachsenen und „hohen Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern innerhalb der Politik“ einhergehe.
Den Kirchen schreibt Decker als Teil der organisierten Zivilgesellschaft eine hohe Bedeutung zu, Räume für das gesellschaftliche Miteinander vor Ort zu eröffnen, dringt allerdings dennoch darauf, dass auch „der Staat in die Fläche zurückgehen und Strukturen schaffen“ müsse, „die eine Repräsentation in beide Richtungen gestatten, des Staates aber auch der Bürger im Staat“, so dass sich die „Zivilgesellschaft darauf konzentrieren“ könne, „gegenüber dem Staat demokratische Wege zu suchen, die zunächst von staatlichen Eingriffen frei sind“.
Um das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie aufzuarbeiten, plädiert Decker für eine Enquete-Kommission, in welcher „viele Positionen Berücksichtigung finden“ könnten: „Was ist eigentlich während der Pandemie passiert? Was waren die Sorgen? Was waren die Ängste? Was waren die Hilflosigkeiten? Und was waren Antworten, die suffizient waren und welche nicht?“ Dabei schließt er bewusst auch die eigene Profession ein, sei doch auch „nicht jeder Rat, der während der Pandemie von Sozialwissenschaftlern gegeben wurde, geeignet“ gewesen und lohne deshalb der kritische Blick zurück, „warum, wie, zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Prämissen, welcher Rat gegeben worden ist, auch im Sinne der Transparenz“.
Die gesamte Episode des Podcasts „Mit Herz und Haltung“ mit Prof. Dr. Oliver Decker ist ab sofort unter www.lebendig-akademisch.de/podcast und in allen gängigen Podcast-Playern wie Spotify, YouTube oder Apple Podcasts abrufbar.