500 Jahre Leipziger Disputation: Kasper und Huber diskutierten Stand der Ökumene
am 26. November in Leipzig
Leipzig, 27.11.2019 (KPI): Leipzig, Sommer 1519. Hundertschaften bewaffneter Studenten schützen zwei berühmte Theologen, die sich zur gelehrten Disputation in der Pleißenburg der Stadt zusammengefunden haben. Für die katholische Seite streitet Dominikanerpater Johannes Eck, für die evangelische Reformator Martin Luther. Die Stimmung ist aufgeheizt. Die kirchlichen Lager stehen sich feindselig gegenüber. Im Reich sorgt die Kaiserwahl für Unruhe. Über zwei Wochen treffen sich unter diesen Rahmenbedingungen der Leipziger Universität die Disputanten zum wissenschaftlichen Streitgespräch.
Szenenwechsel. Leipzig, November 2019. In der Alten Börse der Messestadt haben sich über zweihundert Gäste zur Neuauflage des historischen Wettstreits versammelt. Für die katholische Seite ist Walter Kardinal Kasper – Ökumene-Experte des Vatikan – aus Rom angereist. Für die evangelische Seite nimmt der frühere Bischof Wolfgang Huber auf dem Podium Platz. Durch sein Amt als ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche und geschätzter Theologe genießt er bundesweit höchste Bekanntheit.
Dass zwischen diesen beiden Grandseigneurs der Ökumene an diesem Abend nicht hart die Klingen gekreuzt werden, ist schnell klar. Die beiden Disputanten kennen sich längst aus früheren Begegnungen. Man ist mit den Argumenten der Gegenseite vertraut. Man schätzt sich. Im Auditorium können die Gäste – darunter zahlreiche Prominente aus Kirche, Politik und Gesellschaft – allerdings auch miterleben, dass sich die intellektuellen Vordenker beider Seiten längst nicht nur Wattebäuschchen zuwerfen.
Die Form ist allerdings gepflegt. Huber spricht von „einem Seufzer, den ich loswerden muss“, wenn er seine Enttäuschung darüber beschreibt, dass die gegenseitige Gastfreundschaft des Abendmahls etwa zum Ökumenischen Kirchentag längst nicht Realität ist. Mehr Entgegenkommen wünscht er sich auch bezüglich der Situation konfessionsverbindender Familien. Und er zeigt eine Rote Linie auf, was die Frauenordination angeht. „Ich kann mir nicht vorstellen, das zugunsten der Ökumene rückgängig zu machen“, so der evangelische Theologe.
Der Gast aus Rom stellt mit Blick auf seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz die Schritte in den Mittelpunkt, die seither aufeinander zugegangen wurden. Er spricht von der „versöhnten Verschiedenheit“, lobt das gemeinsame Bewusstsein, dass „das, was uns verbindet, stärker ist, als das, was uns trennt.“ Kardinal Kasper: „Ökumene ist kein Verlustgeschäft, sondern Gewinn und Vorteil für beide.“ Die in einzelnen Weltregionen bestehende Christenverfolgung heutiger Tage müsse geradezu zu einer „Ökumene des Blutes“ verpflichten.
Grenzen und Gemeinsamkeiten
Aber auch er zeichnet Grenzen der Gemeinsamkeiten. Kasper: „Zugegeben: die Katholiken haben die Bedeutung des Papstes vielleicht gelegentlich übertrieben. Aber machen die Evangelischen den Papst nicht zu klein? Wo ist der Platz für diesen Petrus jetzt?“ Er lobt die Universalität der katholischen Kirche. Rückt den Reichtum der katholischen Liturgie in den Blickpunkt.
Und er sagt, er sei „ein Mann der Hoffnung“ und blicke auf konkrete Erfolge. „Jeder muss das tun, was er auf seinem Platz tun kann. Das bringt uns weiter.“ Womit er bei seinem Gesprächspartner auf offene Ohren stößt. „Wir sind gut beraten, mehr gemeinsam zu machen, ein ‚christliches Milieu‘ zu prägen“, so Huber.
Hochrangige Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft - darunter (v.l.n.r.) Bischof Timmerevers, Sachsens Justizminister Gemkow und Nuntius Eterović - nahmen an der Neuauflage zum 500-jährigen Jubiläum der Leipziger Disputation teil.
Unter den Ehrengästen weilt an diesem Abend ein weiterer Gast mit direktem Draht in den Vatikan. Nuntius Nikola Eterović, Erzbischof und Botschafter des Heiligen Stuhls in der Bundesrepublik Deutschland, sitzt in der ersten Reihe. An ihn wendet sich Thomas Arnold von der mitgastgebenden Katholischen Akademie des Bistums. „Berichten Sie dem Heiligen Vater von dieser Debatte. Und sagen Sie ihm, dass diese Disputation heute in einem Landstrich geführt wurde, der als einer der areligiösesten in Europa gilt.“
Michael Baudisch