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Bistum Dresden Meissen
Am vierten von insgesamt sieben Abenden in den verschiedenen Gegenden seines Bistums besuchte Bischof Heinrich mit einem Team der Hauptabteilung Pastoral und Verkündigung und dessen Leiterin Silke Meemken (links) gestern Nebelschütz und suchte das Gespräch mit den Gläubigen der Region. © Michael Baudisch
19. Mai 2022

Das "Wir" in den Mittelpunkt stellen

Halbzeit: Im Gespräch über die Pastoral-Ausrichtung im Bistum war Bischof Heinrich bei seinen Besuchen in den Regionen gestern in Nebelschütz zu Gast

Nebelschütz/Kamenz. Die Wege sind kurz und eingespielt in der sorbischen Region: 10 Minuten vor Beginn des Gesprächsabends mit Bischof Heinrich Timmerevers über die Ausrichtung der Seelsorge im Bistum ist noch reichlich Platz im Gemeindehaus „Bjesada“ der katholischen Pfarrei Nebelschütz. Doch Punkt 18.30 Uhr sind die Plätze an den 9 großen Tischen im Saal praktisch voll besetzt. Rund 60 Frauen und Männer sind zu dem Abend gekommen – aus den Pfarreien Crostwitz und Ralbitz, aus Radibor und Storcha, aus Ostro, die meisten kommen direkt vor Ort aus Nebelschütz. Der Altersdurchschnitt ist gut gemischt, unter den Besuchern sind viele jüngere Gesichter. Auch die Priester der Region sind nahezu vollständig vertreten. „Bjesada“, so lautet der sorbische Name des katholischen Gemeindehauses. Und „Bjesada“, das bedeute übersetzt „Gutes Gespräch“. Das wünscht Dekan Veit Scapan auch in seiner Begrüßung allen Teilnehmenden des Abends.

Es ist der vierte von sieben Besuchsabenden des Bischofs von Dresden-Meißen in den Regionen seines Bistums, bei denen er über die zukünftigen Schwerpunkte der Seelsorge im Bistum mit den Gemeinden ins Gespräch kommen will. Heute Abend gilt der Besuch den sorbischen Gemeinden. Zum „Kirche-Sein vor Ort“ wolle der Abend ermutigen, so erklärt Dr. Daniela Pscheida-Überreiter als Moderatorin in ihrer Einführung zu den Zielen des Abends. Und fügt mit Blick auf den vollen Saal und die lebhaften Gespräche hinzu: „Aber so viel zusätzliche Ermutigung brauchen Sie offensichtlich gar nicht.“ Und: „Synodalität einüben“, also das Gespräch, den Austausch miteinander, das sei ein weiterer Schwerpunkt. „Keine Redeverbote“ sollten für den Abend gelten, alle Themen dürften auf den Tisch kommen.

Als zunächst in kleinen Gruppen über die Anliegen vor Ort gesprochen wird, hört man an den Tischen von der Sorge, dass der Nachwuchs wegbrechen könnte. Auch die Spuren, die Corona hinterlassen hat, kommen zur Sprache. Haben sich die Nachbarn vielleicht daran gewöhnt, sonntags nicht mehr zur Kirche zu gehen?

Eine Kirche im Wandel

Dann erläutert Bischof Heinrich ausführlich, wo er in Zukunft wesentliche Schwerpunkte der Seelsorge sieht. Und er stützt sich bei dieser Analyse auf eine Umfrage unter Verantwortlichen im gesamten Bistum zu genau diesen Punkten.

„Die Sozialgestalt der Kirche wird sich verändern, in Ost wie West“, macht der Oberhirte aus Dresden unmissverständlich klar. Wie die Kirche in Zukunft aussehen wird? „Ich weiß es auch nicht“, gibt er unumwunden zu. Doch acht Faktoren hat der Bischof ausgemacht, die er für zentral hält.

Dialogkultur und Synodalität sind ihm wichtig. Das „Wir“ müsse stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. „Es braucht eine neue Kultur des Miteinanders“, so Bischof Heinrich. Daran sollten alle Gläubigen mitwirken. Die Priester – so zitiert der Bischof ein Bild von Papst Franziskus – müssten als gute Hirten der Herde zwar mitunter vorangehen. Ebenso sei zu anderen Zeiten ihr Mitgehen in der Herde wichtig oder das Gehen hinter der Herde, im Vertrauen, dass sie ihren Weg eigenständig besser finden wird.

„Wir erleben, wie sehr sich Kirche verändert“, sagt Bischof Heinrich. „Einiges können wir verändern, manchem stehen wir machtlos gegenüber.“ Eines ist ihm dennoch wichtig: Die Rede von einer angeblich „gottlosen Zeit“, in der wir uns befänden, stimme nicht. „Es gibt keine gottlose Zeit. Gott zieht sich nicht zurück. Wir müssen nur den Mut haben, hinzuhören, wohin er uns führen will.“ Dabei sei auch Mut nötig, manchen Fehlschritt zu korrigieren.

Vielfalt zulassen

Die Vielfalt zuzulassen, ist ein weiteres Anliegen des Bischofs. Und er erwähnt den Umgang der Kirche mit homosexuellen Partnerschaften oder Wiederverheirateten Geschiedenen, bei dem er Offenheit und Zugewandtheit erwartet.

Mit Blick auf das Miteinander von Priestern und Gläubigen dankt der Bischof seinen Seelsorgern dafür, über lange Zeiten – besonders unter den Einschränkungen der Kirche während der DDR – vieles zusammengehalten zu haben. Zugleich ermutigt er nun zu einem neuen Miteinander von Priestern und Gläubigen. Das „Miteinander von Taufe und Weihe“ solle neu entdeckt, „Klerikalismus überwunden“ werden. Priester müssten „die Kunst lernen, Dinge abzugeben“, um zu einem guten Miteinander zu kommen. Ehrenamtliche sollten qualifiziert und begleitet werden.

Was die Unterschiede in den Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort angeht, setzt der Bischof auf Vielfalt. Größere Gemeinden könnten kleinere stützen. Doch so vieles wie möglich solle vor Ort entschieden und verwirklicht werden. „Verwaltung kann man zentralisieren. Kirchliches Leben kann man nicht zentralisieren“, ist sich Bischof Heinrich sicher. Zugleich regte er eine stärkere Vernetzung mit Sicht auf die Ökumene und die Gesellschaft an.

Die Fragen des Abends

Nach einer Pause mit Soljanka wird im zweiten Teil des Abends das Gespräch im Saal für Fragen und Anregungen geöffnet. Auch hier kommt aus dem Publikum nochmals der Wunsch nach Veränderungen in der Kirche im Umgang mit homosexuellen Partnerschaften zur Sprache. Kritisch angefragt wird, ob die gestiegene Zahl der Mitarbeitenden im Bischöflichen Ordinariat angesichts sinkender Hauptamtlichenzahlen in den Pfarreien zu vermitteln sei. Hier verweisen der Bischof und das mitgereiste Team des Ordinariats auf die gestiegenen Anforderungen, Aufgaben und Ansprüche an Verwaltung. Zugleich verspricht der Bischof, zeitnah zu prüfen, wo auch in der Verwaltung in Dresden verschlankt werden könne.

Die Sorge um Priesterberufungen treibt einen Mann um, der sich gegen Ende des Abends zu Wort meldet. „Warum haben wir so wenige Priester?“ – fragt er, und regt an, mehr bewusste Impulse zu schaffen. Bischof Heinrich übergibt bei diesem Punkt das Wort an den jungen Priester Peter Mroß, der mit im Publikum sitzt. Der Kaplan spricht daraufhin offen über seinen eigenen Berufungsweg. Und er weist darauf hin, dass es Ansprechpartner im Bistum und eine Gruppe gäbe, die genau für Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung da sei – ob als Priester, Gemeindereferent/-in oder etwa auch als Ordensmann oder -frau. Mit seinem sehr persönlichen Zeugnis schafft der Kaplan einen besonderen Moment dieses Abends. Er zeigt, wo und wie Gott und seine Kirche wirken, mitunter eben im Verborgenen.

Text/Fotos: Michael Baudisch

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