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Bistum Dresden Meissen
27. März 2020

Gott ist ein Freund des Lebens

Predigt von Bischof Heinrich Timmerevers am 22. März in der Propstei Leipzig

Liebe Schwestern und Brüder!

I.
Kaum jemand hat sich vorstellen können, dass in unseren Kirchen irgendwann einmal aufgrund einer Pandemie kein Gottesdienst gefeiert werden kann! Das ist jetzt erschreckende Wirklichkeit!

Gott sei Dank haben wir die Möglichkeit, Sie via Internet und Livestream an dem Gottesdienst teilhaben zu lassen, den wir hier in der Leipziger Propsteikirche mit nur ganz wenigen Personen für Sie und mit Ihnen feiern.

Irgendwie ist es verrückt: in noch so unterschiedlichen Krisensituationen rücken die Menschen zusammen, um sich gegenseitig zu stützen, zu ermutigen und einander nahe zu sein. Das bräuchten wir jetzt! Aber das ist eben das Verrückte: je näher wir uns kommen, umso mehr kann sich das Coronavirus ausbreiten. Nähe bewahren und gleichzeitig Abstand halten, das ist in dieser Situation Menschenpflicht!

II.
In der österlichen Bußzeit werden wir zu Einschränkung und Verzicht eingeladen. Einschränkung und Verzicht, dabei denken wir oft an Genussmittel, auf die wir in diesen Tagen verzichten können. Dass wir jetzt auf Gottesdienste verzichten müssen und die heilige Kommunion nicht empfangen können, ist für viele Gläubige ein großer Verzicht.

Wie leben wir das? Wie gestalten wir diese Einschränkung? Die Schriftlesungen dieses Sonntags können uns dabei helfen!

III.
Wir haben von der Erwählung Davids zum König gehört. Alle Söhne des Königs Samuel kämen dafür infrage. Der Reihe nach werden sie vorgestellt und dann wird es – zur Verwunderung aller – der Jüngste, der gerade die Schafe hütet. Der Herr sagt zu Samuel: „Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz!“

Gott schaut nicht auf das Äußere, Gott schaut auf unser Herz! In diesen Tagen nicht die heilige Kommunion empfangen zu können, ist für viele ein Schmerz. Die Lehre und die Glaubenstradition der Kirche kennt die sogenannte geistliche Kommunion. Wenn jemand die heilige Kommunion nicht empfangen kann, aber diese Gemeinschaft mit Jesus Christus aus tiefstem Herzen wünscht, dann ist dieser Wunsch des Herzens entscheidend! Gott hat die Macht, mit seinem Heiligen Geist in die Herzen der Menschen einzutreten und uns mit seiner Liebe zu beschenken und uns seine Nähe erfahren zu lassen! Der Herr kennt die Sehnsucht unseres Herzens. Vertrauen wir uns ihm mit unserem Wunsch an, er lässt uns nicht allein!

Gläubige haben mich gefragt, wenn wir jetzt das Sakrament der Buße nicht empfangen können, wie ist es mit der Osterbeichte? Als Bischof habe ich für diese Zeit die Bußordnung außer Kraft gesetzt. Damit sind die Gläubigen von der Pflicht der Osterbeichte befreit. Auch hier gibt uns die kirchliche Lehre eine Hilfe. Man kann im Gebet vor Gott seine Sünden aus ganzem Herzen bereuen und Gott sagen, dass sie einem leidtun. Man kann Gott um Verzeihung bitten und sich aus ganzem Herzen und mit aller Kraft bemühen, das wieder gutzumachen, was fehlerhaft war. Wer so bittet und sich darum bemüht, der darf sich der Barmherzigkeit Gottes gewiss sein! Gott sieht das Herz, er kennt unseren guten Willen, er kennt unsere Wünsche! Bei nächster Gelegenheit kann ich das Bußsakrament wieder empfangen.

IV.
In der Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus sagt uns Paulus heute: „Einst wart ihr in Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichtes! Denn das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor!“

Das ist ein ermutigendes und zugleich ein herausforderndes Wort! Jetzt aber seid ihr Licht im Herrn! Das ist eine Zusage! Ihr seid Licht aufgrund von Taufe und Firmung! Jetzt sind wir Licht inmitten dieser unserer Welt und in dieser Situation. Dieses Licht bringt lauter Güte hervor! Das ist die Aufforderung an uns: auch wenn wir im konkreten Alltag und Leben Abstand halten müssen, kreativ zu werden, Güte und Nähe zu zeigen und zu schenken! Das einfachste Mittel ist dazu derzeit das Telefon und das Internet. Rufen wir einander an und schenken wir uns Zeit zum gegenseitigen Zuhören!

Liebe Schwestern und Brüder in unseren Gemeinden: Es braucht eine große Aufmerksamkeit füreinander. Schauen Sie hin, fragen Sie sich, wer braucht jetzt einen Anruf, wer könnte einen Zuspruch, eine Ermutigung und Hilfe gebrauchen, zögern Sie nicht, zum Telefon zu greifen.

Ich möchte mich aber auch an Sie wenden, die Sie allein sind. Melden Sie sich in unseren Pfarreien und bitten um Hilfe! Unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger und viele Gläubige in unseren Pfarreien sind offen für Ihre Anliegen!

V.
Das Evangelium von der Heilung des Blindgeborenen stellt die Frage in den Raum: wer ist schuld daran, dass der Blinde blind ist? Jesus beantwortet diese Frage nicht, er gibt dem Blinden das Augenlicht und sagt, wer er ist und was seine Sendung ist: „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“

In den letzten Tagen wurde mir einige Male die Frage gestellt, ist die Pandemie eine Strafe Gottes?

Als Christen sind wir der festen Überzeugung: Krankheit ist nie eine Strafe Gottes, für den einzelnen Menschen nicht, nicht für ein Land, nicht für einen Kontinent und nicht für die Menschheit! Krankheiten gehören zu unserer menschlichen Natur, wir sind und bleiben verwundbar. Krisen, Krankheiten und Leid können aber den Glauben an die Weisheit und Güte Gottes erschüttern. Als Christen fragen wir nach dem Sinn des menschlichen Leids und finden darauf keine einfachen und schnellen Antworten. Der christliche Glaube sagt uns: Gott ist ein Freund des Lebens, er liebt uns Menschen und leidet mit uns! Gott will nicht das Unheil, er will, dass wir das Leben haben!

VI.
Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir als Christen Gottesdienst feiern, gilt das Wort Jesu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

In dieser Gewissheit sind wir in dieser Stunde beieinander in räumlicher Distanz: aber er ist mitten unter uns!

Die Brüder von Taizé singen immer wieder einen wunderschönen Liedvers. Ich lade Sie ein, sich diesen Liedvers – im Gotteslob unter Nummer 365 – als ein immer wiederkehrendes Gebet zu eigen zu machen. Dieser Vers passt – wie ich finde – gut zu unserer jetzigen Situation:

„Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke und mein Licht, Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau‘ ich und fürcht‘ mich nicht, auf dich vertrau‘ ich und fürcht‘ mich nicht!“

Amen!