Ein Papst für die Armen
Eine sozialethische Würdigung des verstorbenen Heiligen Vaters im Akademiepodcast „Mit Herz und Haltung“
Dresden. Nach dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag würdigt der Sozialethiker und Lateinamerika-Kenner Prof. Dr. Gerhard Kruip, bis 2024 Lehrstuhlinhaber für Christliche Anthropologie und Sozialethik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, im Podcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Herder Korrespondenz den verstorbenen Pontifex im Gespräch mit KNA-Redakteurin Dr. Karin Wollschläger aus sozialethischer Perspektive. Da Jorge Mario Bergoglio als erster Papst in der Geschichte den Namen des heiligen Franziskus wählte, habe für das Pontifikat von Anfang an die Erwartung einer „Nähe zu den Armen“, einer „Nähe zur Natur“ und einer kritischen Perspektive „einer Kirche gegenüber, die auf Prunk, auf Repräsentation, auf Reichtum gesetzt hat“, bestanden.
Alle drei Aspekte seien für den Papst während seines zwölfjährigen Pontifikats dann besonders wichtig gewesen. So habe „seine erste größere Reise […] nach Lampedusa, auf eine Insel, wo sehr viele Flüchtlinge ankommen, während viele andere im Mittelmeer ertrinken“, geführt. Mit der großen Klima-Enzyklika Laudato Si' habe der Papst „weltweite Resonanz gefunden“ und zugleich innerhalb der kirchlichen Soziallehre ein „Novum“ markiert, „weil man sich vorher nie so intensiv mit dem Thema Ökologie und Umwelt befasst hat“. Dass er die Vorstellung vom „Mensch als Krönung der Schöpfung“ kritisiert und stattdessen „sehr viel stärker auf die Geschwisterlichkeit zwischen Mensch und der nichtmenschlichen Natur abhebt“, sei „ein neuer Akzent“ gewesen.
In Schriften wie Evangelii Gaudium habe sich das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zudem „ausgesprochen kirchenkritisch“ geäußert. Für eine sozialethische Bewertung des Pontifikats kommt es für Prof. Dr. Kruip entscheidend darauf an, Aussagen von Papst Franziskus etwa in Sachen Kapitalismuskritik vor dessen Biografie zu verstehen: „Ich hatte auch oft in vielen Debatten in Deutschland den Eindruck, dass man ihn nur dann wirklich gut verstehen konnte, wenn man ein bisschen was über diese lateinamerikanischen Hintergründe wusste.“ Auch wenn strittig sei, ob man Franziskus der Befreiungstheologie zurechnen könne, habe den Papst mit dieser einflussreichen lateinamerikanischen Strömung mindestens die „Überzeugung, dass der Glaube gelebt werden muss“, und eine entschiedene „Option für die Armen“ verbunden.
Beide hätten zudem das Bewusstsein, dass es dabei „nicht nur um individuelle Unterstützung“, sondern auch „um strukturelle Veränderungen“ gehen müsse, und das Bild einer „Kirche, die nicht für sich selber da ist, sondern sich in den Dienst einer Praxis der Befreiung und der Gerechtigkeit“ stellen soll, geteilt. Im Unterschied zu seinen sozialen Interventionen, die weltweit Aufmerksamkeit fanden, sei das Agieren des Papstes in kirchenpolitischen Fragestellungen, bei denen er selbst als „die oberste Autorität der Kirche für Umsetzung sorgen“ musste, für diesen „viel heikler gewesen“, merkt der Sozialethiker etwa in der Frage der viri probati in der Amazonas-Region auch kritisch an: „Ich vermute, dass er erst mit der Zeit so wirklich realisiert hat, wie konfliktträchtig diese Themen gewesen sind.“
Für den nächsten Papst komme es mit Blick auf das sozialethische wie innerkirchliche Vermächtnis von Papst Franziskus nun entscheidend darauf an, „das, was er im Sinne der christlichen Ethik für richtig hält, glaubwürdig zu vertreten“. Papst Franziskus habe dies „in weiten Teilen geschafft, von seinen einfachen Schuhen über die kleinen Autos“ bis hin zu „seiner Herzlichkeit im Umgang mit Menschen“, welche ihm Glaubwürdigkeit verliehen hätten. In der Frage der „Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ gelte es jedoch, „weitere Schritte vorzunehmen“.
Zugleich müsse ein künftiger Papst „das große Problem bewältigen, […] dafür zu sorgen, dass Reformen mit verschiedenen Geschwindigkeiten möglich sind, […] dass man wechselseitig tolerant miteinander umgeht, […] [und] eben [nicht] bei gegensätzlichen Standpunkten immer so reagiert, dass man sagt: Ihr seid nicht mehr katholisch, wenn ihr das so behauptet“, so Prof. Dr. Kruip abschließend.
Das ganze Gespräch steht im Podcast „Mit Herz und Haltung“ auf allen gängigen Plattformen wie Spotify, Apple Podcasts, YouTube etc. zur Verfügung und ist auch unter www.lebendig-akademisch.de/podcast direkt abrufbar.