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Bistum Dresden Meissen
Nora Bossong © Picture Alliance / Ulrich Baumgarten
07. Oktober 2022

„Dialogfähigkeit ist ein hohes Gut“

Nora Bossong über die Überwindung von Polarisierungen in Gesellschaft und Kirche

Dresden. In der aktuellen Folge des Podcasts „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen spricht die Schriftstellerin Nora Bossong über die Bedeutung grundlegender Dialogfähigkeit für die Bewältigung aktueller Krisen in Politik, Gesellschaft und Kirche. Voraussetzung dafür sei ein Bewusstsein der Irrtumsanfälligkeit der eigenen Meinung: „Eine Sache, die man sich immer bewusst halten sollte, ist, dass man selbst vielleicht auch falsch liegt, und ich glaube, wenn man sich das bewusst hält, dann ist man auch ein bisschen offener, sich Gegenpositionen anzuhören“, sagte Bossong.

Sich immer fragen, wo ein Dialog noch fruchtbar sein kann

Die Schriftstellerin betonte, dass „Dialogfähigkeit ein hohes Gut in der Gesellschaft“ sei. Man müsse sich stets fragen, mit wem ein Dialog noch fruchtbar sein könne, und dabei zwischen verschiedenen Positionen des politischen Spektrums differenzieren. Dennoch brauche es auch rote Linien, die nicht überschritten werden sollten, etwa wenn durch den Dialog Positionen wieder salonfähig gemacht würden, „die lange schon nicht mehr salonfähig sind und das mit guten Gründen“. In diesem Zusammenhang äußerte sich Bossong auch zur Diskussion über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine.

Aus ihrer Sicht vertrage sich die Befürwortung solcher Lieferungen durchaus mit einer pazifistischen Grundhaltung. Pazifismus bestehe nicht darin, „Menschen, die in einem Angriffskrieg unter Lebensgefahr stehen, die Hilfe zu versagen“, sondern betreffe vielmehr die Frage, wie man sich selbst in einer kriegerischen Auseinandersetzung verhalten würde. Trotz ihrer eigenen Position hätte sie aber „ein größeres Unbehagen“, wenn sich niemand in der Gesellschaft gegen Waffenlieferungen aussprechen würde.

Kirche dürfe die „Stärke des Beharrlichen“ nicht ganz aus den Augen verlieren

Auch mit Blick auf den Reformdiskurs in der Katholischen Kirche in Deutschland mahnte Bossong Kompromissfähigkeit an: „Das Zentrale ist, dass man sich einigen muss zwischen Reformern und jenen, die gern alles so bleiben lassen wollen, wie es ist.“ Das müsse auf eine ehrliche Art geschehen, was auch bedeute, dass reformorientierte Katholikinnen und Katholiken Verständnis für jene mit „konservativen Beharrungswünschen“ aufbringen sollten. Die Beharrungsfähigkeit der katholischen Kirche sei über die vergangenen zwei Jahrtausende hinweg auch eine große Stärke gewesen.

Angesichts der hohen Zahl von Kirchenaustritten sprach sich die Schriftstellerin, die auch Mitglied des Zentralkomitees des deutschen Katholiken ist, dafür aus, in der aktuellen Situation in der Kirche zu bleiben. Das Schlimme sei ja der Missbrauch selbst, nicht dessen Aufdeckung. Gerade jetzt auszutreten, hieße nämlich, so Bossong, „denen Recht zu geben, die sagen: Naja, wäre besser gewesen, wir hätten einfach darüber geschwiegen.“

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören: https://lebendig-akademisch.podigee.io/199-sprache-als-brueckenbauerin

Alle Folgen des Podcast finden Sie unter: https://lebendig-akademisch.podigee.io

Der Podcast „Mit Herz und Haltung“

Im Podcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen Stellung zu den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Fragestellungen. Neue Folgen erscheinen in regelmäßigen Abständen auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts, YouTube sowie auf den Websites der Akademie (www.lebendig-akademisch.de) und des Bistums (www.bistum-dresden-meissen.de).