Pfarrei Pirna und Bistum gehen gemeinsam weitere Schritte
bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in Heidenau
Heidenau/Dresden. Die Berichterstattung der Sächsischen Zeitung (16. Februar 2021) zu Missbrauchsvergehen des vor fünfzig Jahren verstorbenen Pfarrers Herbert Jungnitsch hat aufgerüttelt. Die entstandenen Verletzungen der Opfer und die Aufarbeitung dieses Themas in der heute zur Pfarrei St. Heinrich und Kunigunde Pirna gehörenden Ortsgemeinde St. Georg Heidenau nehmen das Bischöfliche Ordinariat in Dresden und die Pfarrei Pirna zum Anlass, über die weiteren Schritte in der Aufarbeitung zu informieren.
In Heidenau ist Schreckliches geschehen. Nachweislich hat Pfarrer Jungnitsch Kinder sexuell missbraucht. Das verstört uns und macht uns betroffen. Das Bistum und die Pfarrei sind dankbar für alle Unterstützung in den Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozessen – hier ist noch viel zu tun. Tiefer Dank ist Betroffenen für ihren Mut auszusprechen, die sich melden und von dem berichten, was ihnen widerfahren ist.
Auch das öffentliche Interesse und die mediale Berichterstattung helfen, diese Prozesse voranzutreiben. Diese Formen der Unterstützung ermutigen möglicherweise andere Betroffene, über erfahrenes Leid nicht mehr zu schweigen. Mit Blick auf neue Erkenntnisse zu diesem Fall durch die Berichterstattung der Sächsischen Zeitung hat auch das Bistum am 16. Februar reagiert. Justitiar Stephan v. Spies informiert: „Durch die Presseanfrage sind uns Namen möglicher weiterer Täter oder Komplizen bekannt geworden. Wir haben diese Erkenntnisse unverzüglich zur Anzeige gebracht und der Staatsanwaltschaft weitergeleitet.“
Aufarbeitungsprozess in Heidenau seit 2020 in Gang
Seit 2020 läuft in Heidenau ein Aufarbeitungsprozess, der zusätzlich zur juristischen Aufarbeitung durch das Bistum den Blick in die Gemeinde und Pfarrei lenkt. Wo gab es Personen, Sachverhalte und Strukturen, die den Missbrauch ermöglicht haben? Was davon prägt sogar bis heute? Dies ist kein einfaches Unterfangen – was nicht nur daran liegt, dass die Ereignisse schon lange zurückliegen. Pfarrer Jungnitsch ist vielen älteren Christen noch persönlich bekannt und hat mit seinem charismatischen und schillernden Auftreten viele geprägt. Anzuerkennen, dass zu seinem Handeln auch massive Gewalt und mehrere Sexualverbrechen an Kindern und Jugendlichen gehören, wird nicht allen Gemeindemitgliedern ohne weiteres gelingen. Wie sollen andererseits die Betroffenen denen entgegentreten, die den ehemaligen Pfarrer in guter Erinnerung haben? Werden sie wieder verletzt, als „Nestbeschmutzer“ diffamiert und ausgeschlossen, oder schenkt man ihnen Gehör und erkennt ihre Geschichten an?
Es wird im Rahmen des Aufarbeitungsprozesses auch die Verlängerung der Liegezeit des Grabs des ehemaligen Pfarrers abgebrochen. Das Grab wird eingeebnet. Das bedeutet nicht, dass über die Taten des Pfarrers ein Teppich des Schweigens gelegt wird; vielmehr soll es ein Zeichen dafür sein, dass seine Taten weder von der Pfarrei noch vom Bistum gedeckt werden. Benno Kirtzel, der als Gemeindereferent und Präventionsbeauftragter der Pfarrei die Aufarbeitung vor Ort vorantreibt, erklärt: „Die Entscheidung ist im Seelsorgerat Heidenau getroffen worden, in der verantwortlichen Gemeindevertretung. Die Einebnung soll bewusst nicht im Geheimen und nicht ohne weitere Bemühungen zur Aufarbeitung der entsprechenden Jahre geschehen, sondern sie soll Teil des Aufarbeitungsprozesses in St. Georg sein. Da dieser Weg nicht vorgezeichnet ist, können wir auch derzeit kein konkretes Datum und keine geplante Form der Grabeinebnung nennen. Es gilt, einen guten Punkt im Prozess zu finden sowie eine Form zu wählen, die weder heimlich noch reißerisch ist. Wir hoffen, eine kluge Lösung zu finden, und sind offen für Vorschläge, etwa durch die Opfer Jungnitschs.“
Informationsabend in der Pfarrei nach Ende der Corona-Beschränkungen geplant
Wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie musste die geplante Präsenzveranstaltung zum Auftakt des Aufarbeitungsprozesses verschoben werden. Die sensible Thematik verbietet es, sie in anderer Form anzubieten. Die Gemeinde schreibt dazu: „Unter den zum ursprünglichen Termin zu erwartenden Infektionsauflagen ist es wahrscheinlich, dass wir eine Teilnehmendenbegrenzung und namentliche Anmeldung durchsetzen müssen. Auch zur Infektionskettenverfolgung werden wir Namen und Kontaktdaten erheben müssen. Beides ist geeignet, um Menschen die Teilnahme zu erschweren, besonders, wenn diese sich unsicher fühlen und ihre Kontaktdaten nicht der Kirche geben wollen, etwa uns unbekannte Betroffene.“ Momentan ist für den 10. Juni 2021 eine Abendveranstaltung im Pestalozzi-Gymnasium in Heidenau geplant, das nahe am Kirchengelände liegt.
Für das Bistum ist die Missbrauchs-Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit den Pfarreien auch ein Lernfeld, für das es lokal angepasste Lösungen geben muss. Zielführende Handlungsweisen müssen erst gefunden und entwickelt werden. Es gilt, die Sprachlosigkeit und Lähmung zu überwinden, die ein solches Maß an Gewalt und Menschenverachtung wie im Falle Jungnitschs hervorrufen. Generalvikar Andreas Kutschke sagt: „Angesichts dessen, was sich in Heidenau ereignet hat, können wir nicht schnell mal etwas abarbeiten. Wann ein solcher herausfordernder und komplexer Aufarbeitungsprozess abgeschlossen ist, können wir nur gemeinsam mit den Betroffenen und der Gemeinde herausfinden. Wir können nur versuchen, gemeinsam einen Weg zu finden, der die Täter benennt und es den Betroffenen möglich macht, dass man ihren bitteren Erfahrungen Gehör schenkt und das Leid anerkennt. Hier versuchen wir als Bistum sensibel zu sein, welche Unterstützung und Hilfe unsererseits für eine solche Aufarbeitung hilfreich und notwendig ist. Und schließlich gilt es, Vertrauen zu ermöglichen und zu lernen, damit unsere Pfarrgemeinden auch im Blick auf den Schutz vor sexueller Gewalt sichere Orte sind.“
Bistum ermutigt Betroffene, sich zu melden
Das Bistum ruft an dieser Stelle erneut ausdrücklich dazu auf, dass sich Betroffene sexuellen Missbrauchs melden. Dies kann in unterschiedlicher Form geschehen, auch externe Ansprechpersonen stehen dazu zur Verfügung:
https://www.bistum-dresden-meissen.de/praevention
Aufklärung und Aufarbeitung sind die Voraussetzung für gelingende Präventionsarbeit, ersetzen diese jedoch nicht. Es gilt, in Zukunft präventiv ein Maximum an Schutz für Kinder, Jugendliche und weitere Schutzbedürftige herzustellen. Dazu sind auf allen Ebenen von Kirche Schutzmaßnahmen zu installieren. Gerne informieren wir in Kürze weiter über die Schritte, die wir dazu bereits gegangen sind und weiterhin gehen werden.