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Szene aus dem Theaterstück des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen. © DSVTh – Miroslaw Nowotny
17. November 2023

Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen erinnert mit "Schierzens Hanka" an das Schicksal einer katholischen Sorbin jüdischer Herkunft

Deutsche Erstaufführung am Sonnabend, 2. Dezember, 18 Uhr

Bautzen. Erstmals will das Deutsch-Sorbische Volkstheater (DSVTh) Bautzen mit der Vorstellung des Stücks „Schierzens Hanka“ die sorbische Sprache im größeren Rahmen in eine deutsche Inszenierung einbeziehen, als es bisher geschehen ist. Das sagte Anna Mirtschin, Verantwortliche für sorbisches Marketing im DSVTh. „Sorbische Passagen werden übersetzt. Den deutschen Text zeigen wir auf der Bühne, das heißt dass wir keine Kopfhörer verteilen.“ Sie weiß, dass dies für das deutsche Publikum eine gewisse Herausforderung ist, weil „es simultanes Übersetzen von Stücken sowie die Synchronisierung von Filmen aus anderen Sprachen gewohnt ist. Wir versuchen aber, einen guten Weg zu finden.“

Die deutsche Erstaufführung der Inszenierung, die Anfang des vergangenen Jahres in sorbischer Sprache unter dem Titel „Šěrcec Hanka“ aufgeführt wurde, findet am Sonnabend, dem 2. Dezember, um 18 Uhr auf der großen Bühne des Bautzener Theaters statt. Esther Undisz, freie Autorin und Regisseurin, die in Cottbus aufgewachsen ist, hat das Stück nach Motiven des Buches des aus Horka stammenden Schriftstellers Jurij Koch geschrieben und durch eigene Recherchen mit neuen Fakten erweitert. Sie führt zugleich die Regie. Dramaturgin ist Madleńka Šołćic vom DSVTh. Anna Mirtschin ist sich sicher, dass sich auch das deutsche Publikum für die Geschichte der katholischen Sorbin jüdischer Herkunft Hanka Šěrcec interessieren wird. „Das ist nicht nur eine sorbische, sondern zugleich regionale Geschichte. Es ist eine einzigartige Begebenheit, die in Horka geschehen ist.“

Beklemmendes Schicksal nachgezeichnet

Erzählt wird die dramatische Geschichte des Lebens von Annemarie Kreidl, adoptierte Annemarie Schierz (Sorbisch: Hanka Šěrcec). Sie wurde 1918 als uneheliches Kind der Jüdin Gertrude Kreidl aus Dresden geboren. Deren Eltern brachten Annemarie bei der Familie Schierz im sorbischen Ort Horka unter, wo das Kind adoptiert und mit dem Einverständnis der jüdischen Familie als katholische Sorbin erzogen wurde. Annemarie wurde in Crostwitz getauft und später gefirmt, sprach sorbisch und trug die Tracht der katholischen Sorben. Sie bekannte sich aber weiterhin zu ihren jüdischen Wurzeln. So suchte sie sich zu ihrer Firmung den Namen Esther aus. Während der Naziherrschaft war ihre jüdische Herkunft bekannt, wodurch sie viele anti-jüdische Verbote auferlegt bekam. Ab 1941 musste sie regelmäßig zu Gestapo-Verhören nach Dresden. Vom letzten 1942 kehrte sie nicht mehr zurück. Ihr Name findet sich auf keiner Deportationsliste, 1950 wurde sie für tot erklärt. Auf dem Stolperstein in Horka steht als Sterbedatum der 1. Juli 1943..

Das sorbische Theaterstück „Šěrcec Hanka“ wurde Anfang 2022 siebenmal aufgeführt und erreichte am Deutsch-Sorbischen Volkstheater den Status als eine der erfolgreichsten Inszenierungen der letzten Jahrzehnte. Die deutsche Inszenierung soll nun noch etwas öfter gezeigt werden. „Bei den Proben merken wir, was wir den deutschen Zuschauern Begriffe erklären müssen, die Sorben klar sind. Viele Deutsche werden zum Beispiel nicht gleich wissen, was mit Katolski Posoł gemeint ist. Sorbische Zuschauer ist sofort klar, dass es sich um die Zeitschrift der katholischen Sorben handelt, die bereits seit 1863 erscheint.“

Eine historische Geschichte mit aktuellen Bezügen

Für Anna Mirtschin ist es sehr wichtig, sich mit der nationalsozialistischen Geschichte auseinanderzusetzen. „Das Theaterstück ist angesichts des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland weiterhin aktuell. Ich denke aber auch an den Konflikt zwischen Minderheit und Mehrheit. Als Theater bieten wir Gelegenheit, dies zu reflektieren.“ Nach der deutschen Erstaufführung – an diesem Tag gedenkt das Theater seines diesjährigen doppelten besonderen Jahrestages der Gründung des Sorbischen Theaters vor 75 Jahren und des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters vor 60 Jahren – will das DSVTh das Stück noch achtmal aufführen. Dieses Jahr wird es am Donnerstag, 7. Dezember, zu sehen sein. Weitere Termine sind in den ersten vier Monaten des nächsten Jahres geplant. „Schierzens Hanka“ ist eine der fünf Inszenierungen des Sorbischen Abonnements des Bautzener Theaters und des Sorbischen Nationalensembles, mit dem man verschiedenste Theatergenre der sorbischen Bühnenkunst besuchen kann, von Folklore bis Drama.

Rafael Ledschbor


www.theater-bautzen.de 

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