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Bistum Dresden Meissen
Josef Schuster © Zentralrat der Juden in Deutschland
11. Oktober 2021

Ganz normal jüdisch – geht das in Deutschland?

Akademie-Podcast mit Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Dresden. In einer neuen Folge des Podcasts „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen spricht Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, über zunehmenden Antisemitismus in der Bundesrepublik, das aktuelle Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ sowie über die politische Situation in Ostdeutschland.

Mitschuld von Sozialen Medien am zunehmenden Antisemitismus

Mit Blick auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 erklärte Schuster, dass dieser zunächst zu einer sehr großen Verunsicherung in jüdischen Gemeinden geführt habe, die aber durch die rasche Umsetzung erweiterter Sicherheitsmaßnahmen in jüdischen Einrichtungen schnell aufgelöst werden konnte. Der Anschlag von Halle habe jedoch dazu beigetragen, in der Breite der Bevölkerung ein Bewusstsein von den Gefahren des Rechtsextremismus für die Demokratie zu schärfen, so Schuster. Für den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland tragen ihm zufolge die Sozialen Medien, die besonders bei jungen Menschen beliebt seien, eine „ganz erhebliche Mitschuld“. Eine entsprechende Aufklärung sei wichtig und müsse deshalb möglichst früh ansetzen, um antisemitischen Vorurteilen entgegenzuwirken.

Festjahr weitet den Blick auf das Judentum in Deutschland

Schuster brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass mit dem aktuellen Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ein breites Bewusstsein dafür geschaffen werde, „dass jüdisches Leben in Deutschland Jahrhunderte alt“ und „ein festes Glied der deutschen Gesellschaft“ sei. Zugleich sprach er sich für eine Weitung des Blicks auf das Judentum aus: Auf der einen Seite sei der Holocaust „in der jüdisch-deutschen Geschichte natürlich ein wichtiger Zeitraum“, auf der anderen Seite seien Juden aber „ganz normale Menschen […] mit ganz normalen Berufen“, die auch vor und nach dem Holocaust hier gelebt hätten. Es gelte daher, jüdische Menschen nicht auf eine Opferrolle zu reduzieren.

Jüdisches Leben in Ostdeutschland bewusst zeigen

Dass bei der Bundestagswahl die AfD in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft geworden sei, löse bei ihm, so Schuster, „großes Unbehagen“ aus. Allerdings müsse man auch sehen, dass in beiden Bundesländern die deutliche Mehrheit der Wähler ihre Stimme einer der demokratischen Partei gegeben habe. An die Politik richtete Schuster die Erwartung, dass die Ursachen für das Wahlergebnis der AfD in diesen Bundesländern aufgeklärt und angegangen werden. Dort gebe es „erhebliche strukturelle Probleme“ und viele Menschen hätten „zu wenig Vertrauen in die etablierten Parteien“. Schuster gab zu bedenken, dass es in der DDR nur in sehr wenigen Städten jüdische Gemeinden gegeben habe, die zudem äußerst klein gewesen seien. Während des aktuellen Festjahres gehe es deshalb darum, gerade auch in Sachsen und Thüringen jüdisches Leben bewusst zu zeigen.

Die gesamte Podcast-Folge können Sie hier hören:
https://lebendig-akademisch.podigee.io/122-ganz-normal-juedisch

 

Josef Schuster

Josef Schuster studierte Humanmedizin an der Universität Würzburg. Seit November 2014 ist er Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, der größten Dachorganisation jüdischer Gemeinden und Landesverbände in der Bundesrepublik. Schuster ist auch Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses und des Europäischen Jüdischen Kongresses. Seit 2020 ist er außerdem Mitglied des Deutschen Ethikrats. Die Schwerpunkte seines Engagements liegen hier in der Medizinethik und auf ethischen Fragen aus jüdischer Perspektive.

Veranstaltungsreihe „Jüdisches Leben in Sachsen“ im November 2021

Das Gespräch mit Dr. Josef Schuster bildet den Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen, die von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen im November 2021 angeboten werden. Die Veranstaltungsreihe steht im Kontext des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und wird vom Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ gefördert. Sie beginnt am 27. Oktober 2021 mit der Veranstaltung „Irgendwie jüdisch. Über jüdisches Leben und Klischees“ mit Juna Grossmann.

Mehr Informationen zur Reihe entnehmen Sie der Website der Katholischen Akademie: https://www.katholische-akademie-dresden.de/reihen/1700-jahre-juedisches-leben-in-deutschland