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Bistum Dresden Meissen
27. November 2021

Unsere 3V: Verzicht, Vertrauen, Verantwortung

Hirtenwort zum 1. Advent 2021

Liebe Schwestern und Brüder!

Erinnern Sie sich noch? Heute vor einem Jahr sind wir in unser Jubiläum zur Wiedererrichtung des Bistums gestartet. Als großes Fest erwartet, veränderten wir immer wieder Pläne und feierten am Ende unser Christsein digital und dezentral. Die Pandemie hat alles durcheinandergebracht. Hat sie auch den Grund unseres Lebens und Glaubens erschüttert?

Jetzt, ein Jahr danach, sind erneut Einschränkungen an der Kirchentür und im Alltag spürbar. Statt erhoffter Sorglosigkeit droht uns die Not der Krankenhausbetten zu überwältigen. Am Leid, das diese Pandemie mit sich bringt, ist nichts zu verharmlosen. Dabei denke ich an die Kranken und Sterbenden, an die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Ärztinnen und Ärzte, die Einsamen und die herausgeforderten Familien und an die Wirtschaftstreibenden. Die Geschichte unseres Bistums zeigt uns: Jede Krise hat uns und unsere Beziehung zu Gott verändert. Manche zweifeln an der Existenz Gottes, andere fragen, wie kann er das alles zulassen? Der Glaube hat vielen auch Halt gegeben und die Zuversicht wachsen lassen, wir werden auch diese Krise durchstehen. Dabei haben wir auch gesehen und erlebt, unser Gott handelt durch Menschen und schenkt Heil! Das macht auch angesichts der aktuellen Situation Hoffnung. Wir fragen uns, was sind unsere Perspektiven für die kommenden Wochen?

Spannen wir den Bogen vom Advent über Weihnachten bis hin zu Ostern!
Im Glauben wissen wir, dass wir den Tod nicht fürchten müssen. Dennoch müssen wir ihn nicht provozieren. Ich möchte Sie in dieser Pandemie heute ermutigen, alles zu tun, das eigene und das Leben des Anderen zu schützen. Damit geben wir ein Zeugnis für unseren Glauben.

Wie soll das gehen in einer Zeit, die Distanzen verlangt und die Begegnung radikal beschränkt? Ich möchte Ihnen heute neben der pandemischen „3G-Regel“ eine „3V- Regel“ anbieten. Ergänzen wir die „3G-Regel“: „Geimpft, genesen oder getestet“ mutig um die „3V –Regel“: „Verzicht, Vertrauen und Verantwortung.“ Mit diesen drei Haltungen werden die vor uns liegenden Wochen zu einer adventlichen Fastenzeit.

Verzicht: Wir werden in den kommenden Wochen um einen Verzicht von lieb Gewonnenem nicht umhinkommen: Kirchlich wird es vielleicht die feierliche Liturgie an Weihnachten sein, für das Miteinander am Wochenende der Glühwein auf einem der so schönen Weihnachtsmärkte.
Ursprünglich war der Advent eine Zeit des Verzichts, um sich auf das Geschenk des göttlichen Lebens vorzubereiten. Weihnachten wird für uns in diesem Jahr immer dann sein, wenn es uns gelingt in all den Einschränkungen, anstelle von Besuchen Wege, Zeichen und Mittel zu finden, um den alten und einsamen Menschen in unseren Altenheimen, bei Familien und Freunden, Nähe und Verbundenheit auszudrücken. Wir verzichten auf Weihnachtsfeiern und auf Konzerte, die gerade diese Wochen prägen und uns besonders liebgewonnen sind. Auch die schmerzlichen Einschränkungen im kirchlichen Bereich gehören für mich dazu. Wir tun es, um uns und andere zu schützen.

Vertrauen: Von allen Seiten werden uns derzeit Informationen geboten, wie die Situation am besten virologisch einzuordnen ist. Manche schüren eine Stimmung, dass die aktuelle Situation eine unangemessene Panikmache sei und die Wirtschaft unseres Landes ebenso schädige wie die Impfung unseren Körper. Ich bin weder Volksökonom noch Mediziner. Aber ich habe ein Vertrauen in die Politik, Medizin und Pharmakologie unseres Landes. Nicht jede Entscheidung wird im Rückblick richtig sein. Aber ich vertraue darauf, dass die Entscheidungen mit bestem Wissen und Gewissen getroffen werden.
Für mich gehört dazu auch das Vertrauen an die Verantwortlichen der Medizin. Ich vertraue darauf, dass das Impfen schützt und künftiges Leid verhindert – sowohl für das Land, als auch den Einzelnen. Die Ethikkommission des Bistums spricht sich ebenso uneingeschränkt für eine Impfung aus. Ich werde niemanden verurteilen, wenn er für sich zur Entscheidung kommt, sich nicht impfen zu lassen. Wir Bischöfe sehen in der Impfung eine moralische Pflicht zum Wohl aller. Das gilt selbstverständlich auch für mich: Heute Nachmittag werde ich meine Booster-Impfung bekommen. Es ist ein Ethos christlicher Nächstenliebe, bei einer solchen Entscheidung genau abzuwägen, welche persönlichen und welche gesellschaftlichen Folgen daraus erwachsen können.

Verantwortung: Angesichts der derzeitigen, schwierigen Situation erlassen sowohl der Staat als auch wir als Kirche zahlreiche Regelungen. Sie alle wollen verhindern, dass zu viele Menschen schwer erkranken und dadurch auf Dauer eine bestmögliche Behandlung in unseren Kliniken für alle Schwerstkranken nicht mehr möglich ist. Wir haben uns entschieden, zugunsten offener Gotteshäuser als Orte des Klagens und Hoffens sowie der Angebote für Kinder und Jugendliche andere Bereiche einzuschränken. Der Verzicht ist eine Form der Verantwortung, die Hilfe, wo akute Not ist, die andere. Danke, dass viele von Ihnen schon heute so engagiert die Kirche und die Menschen unterstützen.

Wir tragen Verantwortung, sowohl für den Schutz der Menschen, aber auch gegen die Polarisierungen in unserem Land. Keiner soll die verurteilen, die sich jetzt erst impfen lassen oder sich bisher gegen eine Impfung entschieden haben. Ich bitte Sie, bedenken Sie noch einmal Ihre Entscheidung.
Kein Graben darf durch Christen tiefer werden. Bitte helfen Sie dabei, in dieser schweren Zeit Brücken der Versöhnung zu bauen. Als Ihr Bischof will ich daran mitarbeiten.

Liebe Schwestern und Brüder, der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde in Thessalonich: „Der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen […], damit eure Herzen gestärkt werden[…].“ (1 Thess 3,12-13).
Das ist in dieser herausragenden Zeit der Weg, wie wir als Volk Gottes, in der Gesellschaft beieinanderbleiben können und uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wenn wir jetzt etwas besonders brauchen, dann ist es die Solidarität, füreinander einzustehen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass der Herr auch in diesem Advent bei uns ankommen will und ankommt, und uns Kraft und Zuversicht schenken kann. Gott hat den Mut bewiesen, Mensch zu werden. Lassen Sie uns nicht ängstlich zögern, diesen Mut in den kommenden Wochen zu übersetzen: mit Verzicht, Vertrauen und Verantwortung!

Dazu segne Sie und alle, die Ihnen anvertraut und verbunden sind, der gütige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!
Amen!


Dresden, am 1. Advent 2021,

Ihr Bischof +Heinrich